Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
seines Gottes mit der respektvollen Anrede an seinen Käpt’n vermischt. Er nickte, und sein Gesicht verriet den Stolz auf seinen Kapitän. Mochte diese Seeschlange auch sein Bein abgebissen haben, so hatte er doch noch Zeit für Kultur. »Sag ich ihnen, Sir. Hartes Leben, feine Vergnügungen«, erinnerte er sich, während er eiligst die Kabine verließ.
Sobald der Junge weg war, wandte sich Kennit an Sorcor. »Geh zu dem Gefangenen. Gib ihm genug Wasser und Nahrung, damit er wieder zu sich kommt. Etta, mein Bad, bitte.«
Nachdem der Maat hinausgegangen war, half Etta ihm vorsichtig aus seinem Nachthemd. Sie wusch ihn mit einem Schwamm, wie die Chalcedaner es taten. Er hatte das immer für eine widerliche Methode gehalten, sich zu baden, eine Art, Schmutz und Schweiß einfach nur auf dem Körper zu verteilen, statt sie abzuwaschen. Aber sie machte es so gut, dass er sich hinterher tatsächlich sauber fühlte. Als sie zu den intimeren Teilen kam, dachte er darüber nach, dass eine Frau einem Mann vielleicht auch auf mehr als nur eine Weise dienlich sein konnte. Das Baden und das Verbinden seiner Verletzung waren trotzdem noch unangenehm genug, so dass sie ihm hinterher erneut den Schweiß von Rücken, Brust und Stirn waschen musste. Draußen begann leise Musik, eine sanfte Komposition mit Streichern, Glocken und Frauenstimmen.
Es war wirklich angenehm.
Etta riss sachlich eine Seitennaht einer seiner Hosen auf, damit sie ihn beinahe schmerzlos ankleiden konnte, und nähte sie anschließend an seinem Bein wieder zu. Sie knöpfte ihm das Hemd zu und kämmte sein Haar und seinen Bart so geschickt wie ein Kammerdiener. Sie stützte mehr als nur sein halbes Gewicht, als sie ihm auf einen Stuhl half, während sie sein Bett frisch bezog. Es war ihm nie klargewesen, dass Etta solche Talente besaß. Anscheinend hatte er nicht richtig eingeschätzt, wie nützlich sie ihm sein konnte.
Als er ordentlich gewaschen und angezogen war, verschwand sie kurz und kam dann mit einem Tablett mit Speisen zurück.
Kennit hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig er war, bis er die heiße Suppe und das leichte Brot roch. Als sein größter Appetit befriedigt war, ließ er den Löffel sinken und fragte ruhig: »Was hat dich dazu angestachelt, so freizügig mit meinem Gefangenen umzugehen?«
Sie seufzte. »Ich war so wütend.«
Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. »Ich war so wütend, als sie Euch verletzt haben. Und mich gezwungen haben, Euch zu verletzen. Ich habe geschworen, dafür zu sorgen, dass Ihr ein Zauberschiff bekommt, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ihr wolltet die Gefangenen ja gewiss darüber befragen. Also: Als ich es nicht mehr ertragen konnte, hilflos neben Eurem Bein zu sitzen, bin ich zu ihnen gegangen.«
»Zu ihnen?«
»Es waren zuerst drei.«
Sie zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ich glaube, ich habe die Informationen, die Ihr wollt. Ich habe sie sehr sorgfältig überprüft. Aber ich habe trotzdem dafür gesorgt, dass einer am Leben blieb, weil ich sicher war, dass Ihr es selbst hören wolltet.«
Eine Frau mit vielen Talenten. Und beträchtlicher Intelligenz.
Er würde sie wahrscheinlich bald töten müssen. »Und was hast du herausgefunden?«
»Sie wussten ganz sicher nur von zwei Zauberschiffen. Das erste Lebensschiff ist eine Kogge, die Ophelia . Sie hat Jamaillia-Stadt zwar vor ihnen verlassen, aber sie hatte noch Bingtown-Güter an Bord. Also wird sie auf dem Weg nach Norden noch weitere Häfen anlaufen.«
Etta zuckte mit den Schultern. »Wo genau sie jetzt ist, kann man nicht mit Gewissheit sagen. Das andere Lebensschiff, das sie kürzlich gesehen haben, lag noch in Jamaillia-Stadt. Sie ist am Tag vor ihrer Abreise in den Hafen eingelaufen. Der Kapitän wollte nicht lange bleiben. Sie haben die Fracht entladen und das Schiff dann umgebaut, damit es Sklaven nach Norden, nach Chalced, bringen konnte.«
»Es ist unsinnig, ein Zauberschiff für so etwas zu benutzen!«, rief Kennit angewidert. »Sie haben dich angelogen.«
Etta zuckte kurz mit den Schultern. »Das ist natürlich immer möglich, denke ich. Aber dann lügen sie sehr gut, jeder für sich und auch zu verschiedenen Zeiten.«
Sie rollte sein verschwitztes Hemd mit dem schmutzigen Laken von seinem Bett zusammen.
»Mich haben sie jedenfalls überzeugt.«
»Eine Frau zu überzeugen ist auch nicht so schwer. Und was haben sie dir noch erzählt?«
Sie wagte es, ihm einen kühlen Blick zuzuwerfen. »Vermutlich war der Rest auch
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