Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
nicht wirklich als ein Mitglied der Familie, hab ich Recht? Oh, sicher, er taugt dazu, Kinder zu zeugen und meine Mutter zufrieden zu stellen.
Aber mehr willst du ihm nicht zugestehen. Weil er deine eigenen Pläne bedrohen könnte. Nämlich Macht und Kontrolle zu behalten, selbst wenn das den Ruin für die Familie bedeutet.«
Malta hatte nicht geahnt, wie tief ihr Zorn saß, bis sie ihn jetzt mit Gift und Galle zu Worten geformt hatte.
Die Stimme ihrer Großmutter zitterte, als sie antwortete.
»Wenn dein Vater von unserer Lebensart nichts weiß, liegt das daran, dass er sich nie die Zeit genommen hat, sie zu erlernen.
Wenn er das getan hätte, würde ich die Macht nicht so fürchten, über die er bereits verfügt, Malta.«
Die Frau holte tief Luft. »Du zeigst mir hier und jetzt, dass du mehr verstehst, als ich vermutet hätte. Wenn du uns diese Tiefe deines Verständnisses schon vorher gezeigt hättest, hätten deine Mutter und ich dich vielleicht mehr als Erwachsene denn als Kind gesehen. Aber jetzt versuch dies zu verstehen: Als Ephron… als dein Großvater starb, hätte ich weit mehr Kontrolle über das Familienvermögen behalten können, als ich es getan habe. Er wollte, dass Althea das Schiff bekam. Nicht Keffria und dein Vater. Ich habe ihn überredet und ihn überzeugt, dass dein Vater die bessere Wahl als Kapitän wäre. Hätte ich das getan, wenn ich selbst die Kontrolle hätte behalten wollen? Wenn ich etwas dagegen gehabt hätte, dass dein Vater ein vollständiges Mitglied der Familie werden sollte? Ich habe an seine Beständigkeit und Weisheit geglaubt. Aber er war nicht damit zufrieden, einfach nur zu erben. Er hat zu viel und zu schnell verändert, ohne wirklich zu begreifen, was er änderte oder warum diese Veränderung uns zum Nachteil gereichen könnte. Er hat uns niemals gefragt. Plötzlich ging es nur nach seinem Willen und nach dem, was er für das Beste hielt. Ich habe ihn nicht in Unwissenheit gelassen, Malta. Seine Unwissenheit ist eine Burg, die er sieh selbst gebaut hat und die er mit aller Kraft verteidigt.«
Malta hörte zu, aber es geschah beinahe gegen ihren Willen.
Ihre Großmutter war einfach zu klug für sie. Malta wusste, dass dort Lügen verborgen sein mussten, wusste, dass die alte Frau die Wahrheit über ihren gut aussehenden, mutigen und kühnen Vater verdrehte. Aber sie war einfach nicht gerissen genug, um die Täuschung zu enthüllen. So zwang sie sich zu einem Lächeln.
»Dann wird es dir auch nichts ausmachen, wenn ich ihm erzähle, was ich weiß, und so seine Unwissenheit beende, die dich ja anscheinend so entsetzt. Es wird dir nichts ausmachen, wenn ich ihm sage, dass es niemals irgendwelche Karten vom Regenwildfluss gab.
Sondern dass das erwachte Schiff sein eigener Führer ist.
Sicher sollte ich diese Unwissenheit beseitigen.«
Sie beobachtete ihre Großmutter genau, um zu sehen, wie sie darauf reagierte, dass Malta dieses Geheimnis kannte. Aber das Gesicht der alten Frau verriet nichts. Sie schüttelte nur den Kopf.
»Du stößt Drohungen aus, Kind, und weißt nicht einmal, dass du dich selbst am meisten bedrohst. Wenn man mit den Regenwildnishändlern Geschäfte macht, birgt das sowohl Gefahren als auch Kosten. Sie sind unsere Verwandten, und ich sage nichts Schlechtes über sie. Die Verträge, die wir mit ihnen geschlossen haben, werde ich halten. Aber Ephron und ich haben vor langer Zeit beschlossen, keine neuen Verträge mit ihnen zu schließen, keine neuen Verpflichtungen einzugehen.
Weil wir wollten, dass unsere Kinder und Enkelkinder, ja auch du, ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Also haben wir ein schwereres Leben geführt, als nötig gewesen wäre, und unsere Schulden nicht so rasch abbezahlt, wie es möglich gewesen wäre. Aber uns hat dieses Opfer nichts ausgemacht.«
Die Stimme ihrer Großmutter zitterte. »Wir haben auch für dich dieses Opfer gebracht, du kleines, fauchendes Kätzchen. Und jetzt sehe ich dich an und frage mich, warum. In deinen Adern rinnt nur chalcedanisches Salzwasser, kein Bingtown-Blut.«
Die alte Frau drehte sich um und verließ das Zimmer. Ihr Rückzug wirkte weder würdevoll noch stark. Malta wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie hatte sie niedergerungen, ein für allemal. Jetzt würden alle Malta anders behandeln müssen. Sie hatte gewonnen, und sie hatten bewiesen, dass ihr Wille so stark war wie der ihrer Großmutter. Und es kümmerte sie nicht, jedenfalls nicht wirklich, was ihre Großmutter ihr als
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