Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte Torg liebenswürdig. Er war gut gelaunt. »Wenn ich du wäre, wäre ich dankbar, dass dein Vater zufällig so lange auf der Auktion geblieben ist und dich gesehen und gekauft hat. Wir stechen morgen in See, weißt du. Wir haben eine volle Ladung an Bord, und er wollte einfach nur noch ein paar günstige Erwerbungen tätigen. Stattdessen hat er dich gekauft.«
Wintrow verstummte. Er überlegte, ob es klug war, seinem Vater zu sagen, was Torg getan hatte. Würde es wie Jammern klingen, und würde sein Vater ihm überhaupt glauben? Er betrachtete die Gesichter der Leute, an denen sie vorbeigingen, suchte das Gesicht seines Vaters in der Dunkelheit. Wie würde er aussehen? Wütend? Erleichtert? Wintrow selbst schwankte zwischen Angst und Dankbarkeit.
Dann sah er seinen Vater. Er war ein Stück weg und schaute nicht einmal zu Wintrow und Torg hin. Anscheinend bot er für die beiden Feldarbeiter, die zusammen verkauft wurden. Für seinen gefesselten Sohn hatte er keinen Blick übrig.
»Mein Vater ist da drüben«, sagte Wintrow zu Torg. Er blieb eigensinnig stehen. »Ich möchte mit ihm reden, bevor wir zum Schiff zurückgehen.«
»Komm weiter«, knurrte Torg fröhlich. »Ich glaube nicht, dass er mit dir sprechen will.«
Er grinste. »Ich glaube auch nicht, dass er noch der Meinung ist, dass du einen guten Ersten Maat abgibst, wenn er das Schiff Gantry als Kapitän übergibt. Viel eher glaube ich, dass er mich jetzt für diesen Posten vorzieht.«
Er sprach das mit sehr viel Befriedigung aus, als erwartete er, dass Wintrow erstaunt wäre.
Dieser blieb stehen. »Ich will jetzt mit meinem Vater sprechen.«
»Nein«, erwiderte Torg schlicht. Seine größere Kraft und seine Muskeln überwanden Wintrows Widerstand im Nu. »Mir ist es gleich, ob du gehst oder ob ich dich hinter mir herziehe«, versicherte er ihm. Torg blickte suchend über die Menge. »Ah!«, rief er plötzlich und zog Wintrow hinter sich her.
Sie blieben vor dem Block eines Tätowierers stehen. Er befreite gerade eine benommen wirkende Frau aus dem Kragen, während ihr ungeduldiger Käufer an ihren Ketten zog. Der Tätowierer sah Torg an und nickte. »Kyle Havens Zeichen?«, fragte er und deutete auf Wintrow. Anscheinend hatten sie viele Geschäfte zusammen gemacht.
»Der hier nicht«, sagte Torg zu Wintrows Erleichterung. Er vermutete, dass man hier ein Freiheitszeichen kaufen konnte. Sein Vater war sicher nicht über diese zusätzlichen Kosten erbaut.
Wintrow überlegte bereits, ob es nicht eine Möglichkeit gab, die frische Tätowierung von seiner Haut abzutragen oder zu bleichen. So schmerzhaft das auch war, es war sicher besser, als den Rest seines Lebens mit diesem Zeichen herumzulaufen. Je früher er dieses Missgeschick hinter sich ließ, desto besser.
Wintrow hatte sich bereits dazu durchgerungen, seinem Vater zu versprechen, nicht wieder wegzulaufen, sondern bis zum Ende seines fünfzehnten Lebensjahres an Bord des Schiffes zu bleiben und ihm zu dienen, wenn Kyle wieder mit ihm sprach.
Vielleicht wurde es Zeit, dass er die Rolle akzeptierte, die ihm Sas Wille auferlegt hatte. Vielleicht war das die Gelegenheit, sich wieder mit seinem Vater zu versöhnen. Die Priesterschaft war letzten Endes kein Ort, sondern ein Verhalten. Er konnte einen Weg finden, seine Studien an Bord der Viviace fortzusetzen.
Und Viviace selbst war etwas, auf das er sich freute. Er lächelte, als er an sie dachte. Irgendwie musste er es wiedergutmachen, dass er sie im Stich gelassen hatte. Er musste sie davon überzeugen, dass…
Torg packte ihn an seinem Haar und presste seinen Kopf in den Kragen. Der Tätowierer zog ihn fest zusammen. Wintrow kämpfte voller Panik dagegen an, doch er erreichte nur, dass er sich strangulierte. Zu eng. Sie hatten es zu eng gezogen. Er würde ohnmächtig werden, selbst wenn er versuchte, still zu halten und vorsichtig zu atmen. Er bekam nicht genug Luft und konnte es ihnen nicht einmal sagen. Gedämpft hörte er Torgs Stimme. »Brenne ihm dasselbe Zeichen ein wie auf diesem Ohrring. Er wird damit zum Eigentum des Schiffes. Ich wette, dass es das erste Mal in der Geschichte von Jamaillia-Stadt vorkommt, dass ein Zauberschiff seinen eigenen Sklaven bekommt.«
14. Träume und Realität
»Die Traumdose ist verschwunden.«
Malta sah zwischen den beiden ernsten Gesichtern hin und her.
Ihre Mutter und ihre Großmutter beobachteten sie scharf. Sie sah sie überrascht an. »Wie kann das sein?
Weitere Kostenlose Bücher