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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nicht.
    »Rattenköder hier ist vor ein paar Nächten übel gebissen worden. Ich habe die Ratte erwischt, und wir haben sie uns geteilt. Aber seitdem fühlt er sich nicht besonders gut.«
    Er sah Wintrow eine Weile an. »Glaubst du, dass du ihn hier herausholen kannst?«, fragte er eine Nuance freundlicher.
    »Wenn er schon in Ketten sterben muss, dann lasst ihn doch wenigstens an Deck sterben, unter freiem Himmel in der Sonne.«
    »Im Moment ist Nacht.«
    Wintrow hörte verwundert seine Antwort. Alberne Worte.
    »Tatsächlich?«, fragte der Mann staunend. »Trotzdem, die Luft ist wenigstens kühl.«
    »Ich werde fragen«, erwiderte Wintrow beklommen, aber er wusste nicht einmal, ob er selbst das konnte. Die Mannschaft überließ Wintrow sich selbst. Er aß nicht mit ihnen gemeinsam, und er schlief auch nicht bei ihnen. Einige der Männer, die er noch vom Anfang der Reise kannte, beobachteten ihn manchmal. Ihre Mienen zeigten eine Mischung aus Mitleid und Ekel darüber, was aus ihm geworden war. Die Matrosen, die erst in Jamaillia-Stadt angeheuert hatten, behandelten ihn wie irgendeinen beliebigen Sklaven. Kam er in ihre Nähe, beschwerten sie sich über seinen Gestank und vertrieben ihn mit Tritten oder Stößen. Nein. Je weniger Beachtung die Mannschaft ihm schenkte, desto einfacher war sein Leben.
    Mittlerweile betrachtete er das Deck und die Takelage als »draußen«. Seine Welt war hier »drinnen«. Hier stank es und die Ketten der Sklaven waren von Schmutz überzogen.
    Es war wie eine Reise in eine fremdartige Welt, wenn er an Deck ging, um den Eimer zu füllen. Dort konnten sich die Menschen frei bewegen. Sie riefen und lachten manchmal und setzten ihre Gesichter und nackten Arme dem Wind, dem Regen und der Sonne aus. Noch nie zuvor hatte Wintrow Dinge so verwundert erlebt. Er hätte auch an Deck bleiben können, hätte sich wieder in die Position als Schiffsjunge einschmeicheln können. Aber das wollte er nicht. Nachdem er einmal hier unten gewesen war, würde er nicht mehr vergessen oder ignorieren, was er hier vorgefunden hatte. Also stand er jeden Tag auf, wenn die Sonne aufging, füllte seinen Eimer, nahm seine ausgewaschenen Lappen und stieg hinab in die Frachträume zu den Sklaven. Er bot ihnen den geringen Trost einer Waschung mit Salzwasser. Frisches Wasser wäre zwar besser gewesen, aber es war zu wertvoll, um es zu verschwenden. Salzwasser war besser als nichts. Er säuberte die Wunden, an die sie selbst nicht kamen. Er ging allerdings nicht jeden Tag zu jedem Sklaven.
    Dafür waren es zu viele. Aber er tat, was er konnte, und wenn er sich tagsüber zum Schlafen zusammenrollte, schlief er tief und fest.
    Er berührte das Bein des reglosen Mannes. Seine Haut war heiß. Es würde nicht mehr lange dauern.
    »Würdest du das noch mal befeuchten?«
    Etwas an dem Ton des Mannes und seinem Akzent kamen Wintrow merkwürdig vertraut vor. Er dachte darüber nach, während er den Lappen in den kleinen Rest Salzwasser tauchte, der noch im Eimer war. Überflüssig so zu tun, als wäre der Lappen noch sauber. Er war nur nass. Der Mann nahm ihn und wischte seinem Nachbarn die Stirn und das Gesicht ab. Dann faltete er den Lappen noch einmal neu und fuhr sich selbst über Gesicht und Hände. »Vielen Dank«, sagte er, als er ihm den Lappen zurückgab.
    Wintrow überlief ein Schauer, als er es begriff. »Du kommst aus Marrow, stimmt’s? Aus der Nähe des Klosters Kelpiton?«
    Der Mann lächelte merkwürdig, als ob Wintrows Worte ihm gleichzeitig wohl taten als auch Schmerzen bereiteten. »Ja«, sagte er. »Ja, daher komme ich.«
    Leiser verbesserte er sich.
    »Daher kam ich, bevor man mich nach Jamaillia geschickt hat.«
    »Ich war da, in Kelpiton!«
    Wintrow flüsterte, aber ihm kamen die Worte wie ein Schrei vor. »Ich habe in dem Kloster gelebt, ich sollte Priester werden. Manchmal habe ich auch in den Obstgärten gearbeitet.«
    Er befeuchtete den Lappen und reichte ihn dem Mann wieder.
    »Ah, die Obstgärten.«
    Die Stimme des Mannes klang träumerisch, als er seinem Gefährten die Hände abwischte.
    »Wenn die Bäume im Frühling ausschlugen, wirkten sie wie Fontänen aus Blüten. Weiße und rosa Fontänen, und ihr Duft war wie ein Segen.«
    »Man konnte die Bienen hören, aber es kam einem vor, als würden die Bäume selbst summen. Und dann, wenn eine Woche später die Blüten abfielen, war der Boden weiß und rosa, so übersät war er…«
    »Und die Bäume waren mit einem grünen Hauch überzogen, wenn die

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