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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wirklich komisch gewesen.
    »Ich kann nichts dagegen tun«, wiederholte er. »Ich habe es immer wieder versucht.«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich muss selbst damit klarkommen. Aber heute Nacht geht es nicht um die Schlangen. Es ist etwas anderes.«
    »Was?«, fragte er geduldig. Sie war verrückt. Er war sich fast sicher. Sie war verrückt, und er hatte dazu beigetragen, sie dazu zu machen. Manchmal dachte er, dass er sie einfach ignorieren sollte, wenn sie redete, als wäre sie eine Sklavin, die ihn um Gnade anflehte. Doch dann wiederum empfand er es als seine Pflicht, ihrem Geplapper oder ihren grundlosen Ängsten zuzuhören. Denn was er Verrücktheit nannte, war nur ihre Unfähigkeit, sich gegen das eingesperrte Elend in ihren Laderäumen abzuschotten. Und er hatte geholfen, dieses Elend dorthin zu bringen. Er hatte die Ketten angebracht, hatte die Sklaven heraus gerudert und eigenhändig Frauen und Männer in der Dunkelheit unter dem Deck angekettet, über das er jetzt ging. Er konnte den Gestank ihrer Gefangenschaft riechen und hörte ihre Schreie. Vielleicht war er derjenige, der wahrhaft verrückt war, denn immerhin hatte er einen Schlüssel am Gürtel hängen und tat nichts.
    »Ich weiß nicht, was es ist. Aber es ist etwas sehr Gefährliches.«
    Sie klang wie ein Kind, das hohes Fieber hat und von furchterregenden Kreaturen phantasiert. In ihren Worten schwang ein unausgesprochenes Flehen mit. Mach, dass sie weggehen!
    »Es ist nur der Sturm, der aufzieht. Wir fühlen es alle, weil die See schwerer wird. Aber dir wird nichts passieren, du bist ein gutes Schiff. Und ein kleines Unwetter macht dir nichts«, ermutigte er sie.
    »Nein. Im Gegenteil, ein Sturm wäre mir willkommen, weil er den Gestank ein bisschen wegwäscht. Ich fürchte nicht den Sturm.«
    »Ich weiß nicht, was ich für dich tun kann.«
    Er zögerte und stellte dann seine übliche Frage. »Soll ich Wintrow suchen und ihn dir bringen?«
    »Nein. Nein, lass ihn, wo er ist.«
    Sie klang abgelenkt, als sie von ihm sprach, als würde dieses Thema ihr Angst einjagen. Sie schien nicht darüber sprechen zu wollen.
    »Na gut. Wenn du weißt, was ich sonst für dich tun könnte, dann lass es mich wissen.«
    Er wollte gehen.
    »Gantry!«, rief sie hastig. »Warte noch, Gantry.«
    »Ja, was gibt es?«
    »Ich habe dir gesagt, du sollst auf einem anderen Schiff anheuern. Daran erinnerst du dich doch noch, stimmt’s? Dass ich dir geraten habe, auf einem anderen Schiff anzuheuern.«
    »Daran erinnere ich mich«, räumte er widerwillig ein. »Sicher erinnere ich mich daran.«
    Erneut wandte er sich zum Gehen, doch im gleichen Moment tauchte eine schmale Gestalt vor ihm auf. Er zuckte zurück und hätte beinahe aufgeschrien. Einen Herzschlag später erkannte er Wintrow. In der Nacht wirkte er körperlos in seinen schmutzigen Lumpen, fast wie ein Gespenst. Der Junge war abgemagert, und sein Gesicht war so blass wie das jedes anderen Sklaven, bis auf die Tätowierung auf seiner Wange. Er stank nach Sklave, und Gantry wich unwillkürlich vor dem Geruch zurück. Er sah Wintrow eigentlich nie gern, geschweige denn allein im Dunkeln. Der Junge war eine ständige Mahnung für ihn, eine lebendige Erinnerung an alles, was Gantry lieber ignorierte. »Was willst du?«, erkundigte er sich barsch. Aber er hörte selbst, dass seine Stimme wie ein Schrei klang.
    Der Junge antwortete schlicht: »Einer der Sklaven stirbt. Ich würde ihn gern an Deck bringen.«
    »Welchen Sinn macht das, wenn er ohnehin stirbt?«
    Gantry sprach barsch, um seine Verzweiflung zu überdecken.
    »Was spricht dagegen?«, fragte Wintrow ruhig. »Sobald er tot ist, müsst Ihr ihn sowieso an Deck bringen, um seinen Leichnam los zu werden. Warum kann man das nicht schon jetzt tun, so dass er sterben kann, wo die Luft kühl und sauber ist?«
    »Sauber? Hast du keine Nase mehr? Nirgendwo auf dem Schiff riecht es noch sauber.«
    »Für Euch vielleicht nicht. Aber er kann hier oben leichter atmen.«
    »Ich kann nicht einfach einen Sklaven hier an Deck schleppen und ihn liegen lassen. Ich muss jemanden abstellen, der ihn bewacht.«
    »Ich bewache ihn«, bot Wintrow ruhig an. »Er bedroht niemanden mehr. Sein Fieber ist so hoch, dass er einfach nur liegen bleibt, bis er stirbt.«
    »Fieber?«
    Gantrys Stimme wurde schärfer. »Dann ist er also einer dieser Kartenvisagen?«
    »Nein. Er liegt im vorderen Frachtraum.«
    »Wie hat er denn Fieber bekommen? Bisher hatten wir nur Fieberfälle unter den

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