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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ersten Blätter knospten«, flüsterte der andere Mann.
    »Sa, steh mir bei«, stöhnte er plötzlich. »Bist du ein Dämon, der gekommen ist, um mich zu quälen, oder bist du ein Geist, ein Botschafter?«
    »Weder noch«, erwiderte Wintrow. Plötzlich schämte er sich.
    »Ich bin nur ein Junge mit einem Eimer Wasser und einem Lappen.«
    »Kein Priester des Sa?«
    »Nicht mehr.«
    »Der Weg zur Priesterschaft mag verschlungen sein, aber sobald man ihn einmal betreten hat, kann man ihn nie mehr verlassen.«
    Der Tonfall des Sklaven hatte einen belehrenden Singsang angenommen, und Wintrow wusste, dass er aus den alten Schriften zitiert hatte.
    »Aber man hat mich der Priesterschaft entrissen.«
    »Niemand kann ihr entrissen werden und niemand kann sie verlassen. Alle Leben führen zu Sa. Und alle sind zur Priesterschaft berufen.«
    Jetzt erst bemerkte Wintrow, dass er vollkommen reglos im Dunkeln saß und mit offenem Mund atmete. Die Kerze war erloschen, und er hatte es nicht einmal bemerkt. Er hatte sich ausschließlich auf die Worte des Mannes konzentriert, hatte darüber nachgedacht. Alle Menschen sind zur Priesterschaft berufen. Selbst Torg oder Kyle Haven? Aber nicht jede Berufung wurde beachtet, nicht alle Türen geöffnet. »Geh, Priester des Sa«, sagte der Mann ruhig in die Dunkelheit hinein.
    »Erweise uns die kleinen Barmherzigkeiten, zu denen du in der Lage bist, bete für uns und erbitte Linderung für uns. Und wenn du die Chance bekommst, mehr zu tun, dann wird Sa dir die Kraft dazu geben. Ich weiß es.«
    Er presste Wintrow im Dunkeln den Lappen in die Hand.
    »Du warst auch ein Priester?«
    Es war eine leise Frage.
    »Ich bin Priester. Einer, der sich keiner falschen Doktrin beugen wollte. Niemand ist zum Sklaven geboren. Das ist etwas, das Sa niemals erlauben würde.«
    Er räusperte sich und fragte ruhig: »Glaubst du das?«
    »Selbstverständlich.«
    »Man bringt uns nur einmal am Tag Essen und Wasser.«
    Die Stimme des Mannes klang plötzlich verschwörerisch. »Sonst kommt außer dir keiner in unsere Nähe. Wenn ich ein Stück Metall hätte, könnte ich mich über diese Kette hermachen. Es muss natürlich ein Werkzeug sein, das keiner vermisst. Jedes Stück Metall würde genügen, auf das du in einem unbeobachteten Moment stößt.«
    »Aber… aber selbst wenn du dich von deinen Ketten befreien könntest, was könntest du ausrichten? Einer gegen so viele?«
    »Ich kann die lange Kette aufbrechen. Dann könnten sich viele von uns bewegen.«
    »Und was würdest du tun?«, fragte Wintrow entsetzt.
    »Ich weiß es nicht. Ich würde es Sa überlassen. Er hat dich ja auch zu mir gebracht, stimmt’s?«
    Er schien das Zögern des Jungen zu bemerken. »Denk nicht darüber nach. Plane es nicht. Mach dir keine Sorgen. Sa wird dir die Gelegenheit schicken, und du wirst sie wahrnehmen und handeln.«
    Er hielt inne. »Ich möchte nur, dass du erbittest, Kelo hier an Deck zu lassen. Wenn du es wagst.«
    »Das werde ich tun«, hörte sich Wintrow antworten. Trotz der Dunkelheit und des Gestanks um ihn herum fühlte er sich beschwingt, als wäre ein kleines Licht in ihm neu entzündet worden. Er würde es wagen. Er würde fragen. Was sollten sie ihm wegen dieser Frage schon antun? Nichts konnte schlimmer sein als das, was sie bereits getan hatten. Mein Mut, dachte er.
    Ich habe meinen Mut wiedergefunden.
    Er bückte sich und griff im Dunkeln nach dem Eimer und dem Lappen. »Ich muss gehen. Aber ich komme wieder.«
    »Ich weiß, dass du wiederkommen wirst«, antwortete der andere Mann gelassen.

    »Also? Du wolltest mich sehen?«
    »Etwas stimmt nicht. Irgendetwas stimmt hier überhaupt nicht.«
    »Was?«, fragte Gantry müde. »Sind es schon wieder die Seeschlangen? Ich habe es versucht, Viviace. Sa weiß, dass ich versucht habe, sie zu vertreiben. Aber es ist sinnlos, morgens Steine nach ihnen zu schleudern, wenn ich am Nachmittag Leichen über Bord werfe. So kann ich sie nicht verscheuchen. Du musst sie einfach ignorieren.«
    »Sie flüstern mit mir«, beichtete sie beklommen.
    »Sie reden mit dir?«
    »Nein. Nicht alle. Aber der Weiße.«
    Sie drehte sich zu ihm um, und ihr Blick wirkte gequält. »Ohne Worte, ohne Geräusche. Er flüstert und drängt mich, Unaussprechliches zu tun.«
    Gantry hätte beinahe laut aufgelacht. Unaussprechliches wurde ohne Worte geäußert. Er schüttelte den Gedanken ab. Es war nicht komisch, nicht wirklich komisch. Manchmal kam es ihm vor, als wäre nichts in seinem Leben

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