Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
wollt Ihr von mir? Was muss ich tun, um Euch zu gewinnen?«
»Ich weiß nicht… Noch nie hat jemand…«
Offenkundig verlegen deutete sie auf Wintrow. »Wintrow ist Mein, und ich bin Sein. Wir haben beide herausgefunden, dass nichts dies ändern kann. Und ganz sicher könnt Ihr Euch nicht zwischen uns stellen.«
»Kann ich nicht? Das sagt das Mädchen, das liebevoll von ihrem Bruder spricht, bis ihr Geliebter ihr Herz stiehlt.«
Wintrow war sprachlos. Vielleicht war die Frau, die mit Kennit an Bord gekommen war, die einzige Person, die ebenso platt war. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und starrte Viviace an, wie eine Katze einen bösartigen Hund mustert. Sie ist auf seine zärtlichen Worte dem Schiff gegenüber eifersüchtig, dachte Wintrow. Wie ich eifersüchtig bin, dass Viviace so verwirrt und erfreut ist.
Die feine Maserung ihrer Wangen war rosa angelaufen. Und sie atmete schneller, was man an ihren Brüsten sah, die sich hinter ihren Armen hoben und senkten. »Ich bin ein Schiff, keine Frau«, erklärte sie nachdrücklich. »Ihr könnt nicht mein Geliebter sein.«
»Nein? Soll ich Euch nicht durch das Meer führen, wie kein anderer Mann es wagen würde, sollen wir nicht zusammen Länder sehen, die der Stoff für Legenden sind? Sollen wir nicht zusammen unter einem Himmel segeln, dessen Sterne noch nicht einmal Namen haben? Sollen wir nicht, Ihr und ich, eine Erzählung unserer Abenteuer weben, auf dass die Welt nur noch bewundernd von uns spricht? Ach, Viviace, ich sage Euch ganz ehrlich, dass ich Euch für mich gewinnen will. Das sage ich ohne Furcht.«
Sie sah von Kennit zu Wintrow. Ihre Verwirrung war ebenso entzückend wie ihr Vergnügen über seine werbenden Worte. »Ihr werdet niemals Wintrows Platz einnehmen können, ganz gleich, was Ihr sagt«, meinte sie schließlich. »Er ist meine Familie.«
»Natürlich nicht«, versicherte Kennit ihr herzlich. »Das möchte ich auch gar nicht. Wenn Ihr Euch bei ihm sicher fühlt, dann werden wir ihn für immer an Bord behalten.«
Erneut lächelte er sie an, verrucht und gleichzeitig weise. »Ich dagegen möchte Euch keineswegs in Sicherheit wiegen, meine Lady.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust, und trotz seiner Krücke und dem kurzen Bein sah er sowohl attraktiv als auch verwegen aus. »Ich habe nicht das Verlangen, Euer kleiner Bruder zu sein.«
Mitten in dieser Werbung schien sein Bein ihn zu peinigen, denn er sank plötzlich zusammen und verzog schmerzerfüllt sein Gesicht. Mit einem Stöhnen beugte er sich vor, und sofort war Sorcor an seiner Seite.
»Ihr seid verletzt! Ihr müsst jetzt gehen und Euch ausruhen!«, rief Viviace, bevor jemand anders sprechen konnte.
»Ich fürchte, das muss ich«, entgegnete Kennit so demütig, dass Wintrow sofort wusste, wie erfreut der Pirat über die Reaktion des Schiffes war. »Also muss ich Euch jetzt verlassen.
Aber ich darf doch wieder vorbeikommen, ja?«
»Ja, bitte, tut das.«
Sie ließ die Hände von den Brüsten sinken und streckte ihm eine Hand entgegen, als wollte sie ihn auffordern, sie zu berühren.
Der Pirat verbeugte sich erneut, machte aber keine Anstalten, sie anzufassen. »Bis später«, sagte er. Seine Stimme klang bereits liebevoll. Er drehte sich um und sagte heiser: »Sorcor, ich brauche deine Hilfe.«
Als der stämmige Pirat das Gewicht des Kapitäns stützte und den Abgang einleitete, bemerkte Wintrow den Blick, den die Frau der Galionsfigur zuwarf. Es war kein freundlicher Blick.
»Sorcor!«
Alle drehten sich bei dem gebieterischen Befehl von Viviace um. »Sei vorsichtig mit ihm. Und wenn du fertig bist, würde ich mir gern einige deiner Bogenschützen ausleihen. Ich möchte diese Seeschlangen zumindest entmutigen.«
»Kapitän?«, fragte Sorcor zweifelnd.
Kennit lehnte sich auf ihn. Sein Gesicht war schweißnass, aber er lächelte immer noch. »Gewähre der Lady diesen Gefallen. Ein Zauberschiff unter meinem Kommando. Wirb um sie für mich, Mann, bis ich sie selbst hofieren kann.«
Mit einem sterbenskranken Seufzer brach er plötzlich in den Armen seines Maats zusammen. Als Sorcor den Mann hochhob und in die Kajüte trug, die einmal Kyle Haven gehört hatte, wunderte sich Wintrow immer noch über das merkwürdige Lächeln auf Kennits Gesicht. Die Frau ging hinter ihnen her, ohne ihren Blick auch nur eine Sekunde von Kapitän Kennits Gesicht abzuwenden.
Wintrow ging langsam zum Bug zurück, bis zu der Stelle, an der Kennit gestanden hatte. Niemand hielt ihn auf. Er
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