Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
nur deine Tagträume ansehen. Hast du dir jemals ausgemalt, Ehefrau und Mutter zu sein? Dich jemals gefragt, wie es ist, ein Kind zu bekommen? Und träumst du davon, dich um deine Kleinen zu kümmern, während du darauf wartest, dass dein Mann von seiner Seereise zurückkommt?«
»Nur in meinen schlimmsten Alpträumen«, gab Althea lachend zu.
»Also, wenn du dir niemals gewünscht hast, eine Ehefrau zu werden, erwartest du dann, dass du in deinem ganzen Leben keine Männer kennen lernst?«
»Darüber habe ich nicht viel nachgedacht.« Sie zog den Humpen zu sich heran.
Amber lachte. »Ein Teil von dir denkt an kaum etwas anderes, wenn du es nur zugeben würdest. Du willst einfach nur nicht die Verantwortung dafür übernehmen. Du tust lieber so, als wäre es etwas, das dir passiert ist, etwas, wozu ein Mann dich verführt hat.« Sie ließ den Stuhl mit einem Plumps auf alle vier Beine fallen. »Komm schon«, meinte sie einladend zu Althea. »Die Flut kommt, und ich habe eine Verabredung.« Sie rülpste leise. »Begleite mich.«
Althea stand auf. Sie wusste nicht, ob Ambers Worte sie beleidigt oder amüsiert hatten. »Wohin gehen wir?«, wollte sie wissen, während sie den zerlumpten Mantel akzeptierte.
»An den Strand. Ich möchte dir einen Freund vorstellen. Paragon.«
»Paragon? Das Schiff? Ich kenne Paragon gut.«
Amber lächelte. »Das weiß ich. Er hat eines Nachts von dir geredet. Er hat sich versprochen, und ich habe mir nicht anmerken lassen, dass ich deinen Namen kannte. Aber selbst wenn ihm das nicht passiert wäre, hätte ich es gewusst. Du hast Spuren von deiner Anwesenheit an Bord hinterlassen. Sie lagen bei Brashens Sachen.«
»Was denn?«, fragte Althea misstrauisch.
»Einen kleinen Kamm, den ich an dir gesehen habe, als du mir das erste Mal aufgefallen bist. Er lag auf einem Fenstersims, als hättest du da gestanden, dein Haar gemacht und ihn dann vergessen.«
»Aha. Aber was hast du mit dem Paragon zu tun?«
Amber blieb ruhig, als sie antwortete. »Das habe ich dir gesagt. Er ist mein Freund.« Vorsichtiger fügte sie hinzu: »Ich bin dabei, ihn zu kaufen.«
»Das kannst du nicht!«, erklärte Althea empört. »Die Ludlucks können ihr Lebensschiff nicht verkaufen, ganz gleich, wie sehr er in Ungnade gefallen ist.«
»Gibt es ein Gesetz dagegen?« Ambers Stimme klang forschend.
»Nein. Das war niemals nötig. Es ist Tradition in Bingtown.«
»Viele von Bingtowns wertvollsten Traditionen sind schon vor dem Erscheinen der Neuen Händler gebrochen worden. Man macht wenig öffentlichen Lärm darum, aber jeder in Bingtown, dem daran liegt, weiß, dass der Paragon zum Verkauf steht. Und die Gebote der Neuen Händler werden ernsthaft in Betracht gezogen.«
Althea schwieg eine Weile. Amber legte den Umhang an und zog die Kapuze tief in die Stirn. Als Althea schließlich antwortete, klang ihre Stimme tief. »Wenn die Ludluck-Familie gezwungen ist, den Paragon zu verkaufen, werden sie ihn an eine andere Alte-Händler-Familie verkaufen. Nicht an eine Außenstehende wie dich.«
»Ich habe mich gefragt, ob du darauf anspielen würdest«, antwortete Amber im Plauderton. Sie entriegelte die Hintertür und wartete. »Kommst du?«
»Ich weiß nicht.« Althea ging voraus und wartete in der dunklen Gasse, während Amber zusperrte. Die letzten Minuten des Gesprächs mit Amber hatten eine eindeutig unerfreuliche Wendung genommen. Am unangenehmsten war das Gefühl, dass Amber diese kleine Konfrontation absichtlich herbeigeführt hatte. Wollte sie ihre Freundschaft testen? Ober gab es einen Plan hinter ihren Sticheleien? Althea überlegte sich ihre Worte genau.
»Ich glaube nicht, dass du weniger oder mehr wert bist als ich, nur weil ich eine geborene Händlerin bin und du nicht. Aber einige Dinge sind ausschließlich Sache der Bingtown-Händler, und wir hüten sie eifersüchtig. Unsere Zauberschiffe sind etwas ganz Besonderes. Wir haben das Bedürfnis, sie zu beschützen. Es würde einem Außenstehenden schwer fallen, alles zu verstehen, was die Zauberschiffe uns bedeuten.«
»Es ist immer schwer, etwas zu erklären, was man selber nicht verstanden hat«, konterte Amber gelassen. »Althea, diese Idee muss sich durchsetzen, und zwar nicht nur bei dir, sondern bei allen Bingtown-Händlern. Um zu überleben, musst du dich verändern. Du wirst entscheiden müssen, was dir das Wichtigste ist, und eben dies schützen. Du musst die Verbündeten akzeptieren, die deine Werte teilen, und darfst ihnen nicht
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