Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
derart misstrauen. Und vor allem musst du deinen Besitzanspruch auf Dinge überdenken, die dir nicht gehören. Dinge, die nicht einmal den Regenwild-Händlern gehören, sondern rechtmäßiges Erbe aller sind.«
»Was weißt du von den Regenwild-Händlern?«, wollte Althea wissen und musterte Amber in der dämmrigen Gasse.
»Sehr wenig. Eure verschwiegenen Bingtown-Traditionen haben dafür gesorgt. Ich vermute, dass sie die Städte der Altvorderen ihrer Schätze berauben und behaupten, die Magie gehöre ihnen. Bingtown und die Händler von Bingtown agieren als Schild, um Menschen zu verbergen, die dem Rest der Welt unbekannt sind. Diese Menschen tauchen tief in Geheimnisse ein, die sie nicht fassen können. Sie zerlegen das unter großen Schwierigkeiten erlangte Wissen eines anderen Volkes und einer anderen Zeit und verhökern es als amüsanten Tand. Ich vermute, dass sie genauso viel zerstören wie sie stehlen. Komm mit.«
Althea wollte etwas erwidern, biss dann aber die Zähne zusammen und folgte Amber wortlos.
Sie schwiegen kurz. Dann lachte Amber. »Siehst du. Du willst mir nicht einmal sagen, ob meine Schlussfolgerungen korrekt sind.«
»Das sind Angelegenheiten der Bingtown-Händler. Darüber redet man nicht mit Außenstehenden.« Althea hörte die Kälte in ihrer Stimme, konnte sie aber nicht zurückhalten.
Eine Weile gingen sie distanziert nebeneinander her. Die Feierstimmung des Nachtmarktes drang zu ihnen wie die Erinnerung an bessere Zeiten. Der Wind, der vom Meer wehte, war kalt. In diesen Stunden vor der Morgendämmerung merkte man nichts vom Frühling. Die Welt versank wieder in die kalte Umarmung des Winters. Althea war vollkommen verzweifelt. Sie hatte nicht gemerkt, wie wichtig ihr die Freundschaft zu Amber war, bis sie bedroht schien.
Amber nahm sie plötzlich am Arm. Diese Berührung machte die Intensität in ihrer Stimme noch verlockender. »Bingtown kann das nicht allein durchstehen«, sagte sie. »Jamaillia ist korrupt. Der Satrap wird euch an Chalced abtreten oder euch, ohne einen Augenblick nachzudenken, an die Neuen Händler verschachern. Es interessiert ihn nicht, Althea. Weder seine Ehre noch der Schwur seiner Vorgänger, noch die Leute von Bingtown. Er kümmert sich ja nicht einmal um die Menschen von Jamaillia. Er ist so sehr mit sich beschäftigt, dass er nichts weiter wahrnehmen kann als das, was mit ihm zu tun hat.« Amber schüttelte den Kopf, und Althea hatte das Gefühl, als wäre sie sehr traurig. »Er ist zu früh an die Macht gekommen und war viel zu unerfahren. Er war eigentlich vielversprechend und hatte Talent. Sein Vater freute sich über sein Potential, und er konnte seine Lehrer verzaubern. Niemand wollte diesem forschenden Geist Einhalt gebieten, und ihm wurde absolute Freiheit in seinen Forschungen gewährt. Keine Disziplin wurde ihm aufgezwungen. Eine Weile war es, als sehe man einer Blüte bei ihrer Entfaltung zu.«
Amber hielt inne, als erinnere sie sich an bessere Zeiten. Sie seufzte und fuhr fort: »Aber nichts gedeiht ohne Grenzen. Zuerst war der Hof amüsiert, als er die Freuden des Fleisches entdeckte und sich ihnen hingab. Charakteristischerweise nahm er sich vor, sie alle zu erforschen. Alle vermuteten, es wäre nur eine Phase seines Wachstums. Aber das war es nicht. Es war das Ende seiner Entwicklung. Er versank in Lust und verlor sich vollkommen in der Befriedigung seiner Sinne. Jetzt wurde er noch ich-bezogener. Ehrgeizige Leute sahen darin einen Weg, sich die Gunst des zukünftigen Satrapen zu erschleichen. Sie begannen, sein Verlangen zu fördern. Die Skrupellosen unter ihnen sahen es als einen Weg zur Macht. Sie lehrten ihn neue, exotischere Freuden, solche, mit denen nur sie allein ihn versorgen konnten. Als sein Vater überraschend starb und er an die Macht katapultiert wurde, hatten sie bereits die Fäden an der Marionette befestigt. Seitdem sind sie nur noch fester geworden.« Amber lachte freudlos. »Es ist bitter. Der junge Mann, der niemals von den Mauern der Disziplin beschränkt wurde, erstickt jetzt in den Stricken seiner Süchte. Seine Feinde berauben sein Volk und versklaven seine Länder, und er lächelt, während die Traumkräuter in seiner Kammer qualmen.«
»Du scheinst dich in seiner Geschichte gut auszukennen.«
»Allerdings.«
Aufgrund dieser brüsken Antwort verzichtete Althea auf die Frage, die ihr auf der Zunge lag, und stellte stattdessen eine andere. »Warum erzählst du mir das alles?«
»Um dich wachzurütteln. Appelle
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