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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schlammige Flüsse vorgetastet und in Lagunen Anker geworfen, die auf keiner bekannten Karte verzeichnet waren. Der ganze Abschnitt dieser »Küste«, die als Piraten-Inseln bekannt war, befand sich in ständiger Veränderung. Einige behaupteten, dass die vielen Flüsse und Ströme, die sich rund um diese Piraten-Inseln in die Innere Passage ergossen, eigentlich nur ein großer Fluss seien. Brashen kümmerte es wenig, ob die dampfenden Gewässer, die in den Kanal strömten, von einem oder von vielen Flüssen stammten. Tatsache blieb, dass die warmen Fluten zwar für das milde Klima der Piraten-Inseln verantwortlich waren, aber gleichzeitig stanken sie auch, ließen Bootsrümpfe in einem erstaunlichen Tempo verfaulen, weichten Taue und Seile auf und bildeten zu jeder Jahreszeit wogende Nebelbänke.
    Andere Schiffe hielten sich hier nicht freiwillig auf. Die Luft war feucht, und das frische Wasser, das sie an Bord nahmen, wurde beinahe über Nacht faulig. Wenn die Springeve zu dicht am Ufer ankerte, stürzten sich Schwärme von Insekten auf die Mannschaft. Oft tanzten auch merkwürdige Lichter auf dem Wasser, und trügerische Geräusche drangen bis zu ihnen. Inseln und Fahrrinnen verschoben sich und verschwanden, wenn die wandernden Flüsse ihren Schlick und ihren Sand ablagerten. Und ein Sturm, eine Regenflut oder ein mächtiger Gezeitenwechsel wusch in einer Nacht alles weg, was in einem ganzen Monat angehäuft worden war.
    Brashen hatte nur noch verschwommene Erinnerungen an diese Gegend aus der Zeit, als er hier unfreiwillig als Pirat gesegelt war. Als Schiffsjunge hatte er kaum mehr gegolten als ein Sklave. Auf der Hope hatten sie ihm den Spitznamen Wiesel gegeben. Er hatte kaum auf etwas anderes geachtet als darauf, sich immer so schnell zu bewegen, dass er einen sicheren Abstand zu Tauenden behielt. Die Siedlungen hatte er als winzige Ansammlung von verfallenen Hütten in Erinnerung. Die einzigen Bewohner waren verzweifelte Männer gewesen, die nirgendwo anders hingehen konnten. Es waren keine prahlerischen Piraten gewesen, sondern Ausgestoßene, die von dem lebten, was die Piraten ihnen in ihre winzigen Siedlungen brachten.
    Brashen schüttelte den Kopf. Er konnte sich nur darüber wundern, wie aus einigen zusammengewürfelten Hütten von Ausgestoßenen anscheinend ein ganzes Netzwerk von Städten geworden war. Als Maat auf der Viviace hatte er eher skeptisch den Erzählungen von Piratensiedlungen gelauscht, die angeblich auf Pfeilern weit über den brackigen Flüssen und Lagunen errichtet worden waren. Doch seit er auf der Springeve segelte, hatte er allmählich sein Bild von diesen Wanderinseln und den geschäftigen Siedlungen korrigiert, die sich an ihre trügerischen Küsten klammerten. Einige Städte waren immer noch kaum mehr als kleine Häfen, in denen zwei Schiffe anlegen und ihre Waren verkaufen konnten. Aber in anderen prangte sogar Farbe an den Brettern der Häuser, und kleine Geschäfte säumten die schlammigen Straßen. Der Sklavenhandel hatte die Bevölkerung anwachsen lassen und sorgte auch für eine größere Vielfalt. Handwerker und gebildete Sklaven, die ihren jamaillianischen Besitzern entkommen waren, drängten sich neben Kriminellen, die vor der Justiz des Satrapen geflohen waren. Einige Bewohner hatten sogar Familie. Frauen und Kinder bildeten allerdings noch eine Minderheit der Bevölkerung. Viele der entkommenen Sklaven versuchten offenbar, ihr Leben wieder aufzubauen, das man ihnen gestohlen hatte. Sie mischten den Piratenstädten eine Note verzagter Zivilisation unter.
    Kapitän Finney schien ausschließlich mit Hilfe seiner Erinnerung durch diese trügerischen Kanäle, Gezeiten und Strömungen zu navigieren, die sie zu jedem Weiler brachte. Unfehlbar dirigierte er die Springeve von Stadt zu Stadt. Brashen vermutete, dass er Karten versteckte, die er zu Rate zog, aber bis jetzt hatte er noch keine zu Gesicht bekommen. Dieser Vertrauensmangel forderte Verrat geradezu heraus, dachte Brashen, während er den Sohn des Händlers mit zusammengekniffenen Augen musterte. Zumindest glaubte er, dass Finney seine sorgfältig mit Tinte auf Segeltuchfetzen eingetragenen Küstenlinien und Sandbänke als Verrat ansehen würde. Brashen verwahrte sie unter seiner Koje. Ein großer Teil von Finneys Wert als Kapitän beruhte auf seiner genauen Kenntnis der Piraten-Inseln. Er würde Brashens sorgsam gehüteten Schatz als einen Diebstahl seines hart erarbeiteten Wissens ansehen. Für Brashen hingegen war

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