Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
aus Stoffbahnen ausbreitete, die er von großen Ballen wickelte. Ein älterer Sohn hatte die Türen eines prachtvoll geschnitzten Schranks geöffnet, den er an Bord getragen hatte. Darin befanden sich einige Reihen winziger verkorkter Flaschen. Brashen wusste nicht, ob es sich um Wein- und Schnapsproben oder um Parfüm- und Ölflakons handelte. Der dritte Sohn hatte eine weiße Decke über Kapitän Finneys Koje geworfen und breitete eine bunte Mischung aus Waffen, Geschirr, Büchern, Schriftrollen und anderen Gegenständen darauf aus. Aber selbst das geschah nicht willkürlich. Die Messer wurden in einem Fächer aus Schneiden und Griffen hingelegt, die Schriftrollen und Bücher wurden geöffnet, damit man sie ansehen konnte, und auch die anderen Gegenstände wurden so aufgebaut, dass sie das Auge des potentiellen Käufers faszinierten.
Doch am schärfsten beobachtete Brashen den dritten Jungen. Er bezweifelte zwar, dass sie etwas anderes waren als fleißige Kaufleute, aber er hatte beschlossen, seit dem unglücklichen Vorfall vor zehn Tagen misstrauischer zu sein. Es hatte den Schiffsjungen fast einen ganzen Tag gekostet, das Blut dieses Haudegens vom Deck zu schrubben. Brashen wusste immer noch nicht genau, wie er das fand, was er getan hatte. Der Mann hatte ihn zum Handeln gezwungen, und er konnte doch nicht einfach daneben stehen und zusehen, wie er das Schiff ausraubte. Trotzdem konnte Brashen die unbehagliche Ahnung nicht abschütteln, dass er diesen Posten nicht hätte annehmen sollen. Wenn er nicht da gewesen wäre, hätte er kein Blut vergießen müssen.
Wo wäre er dann gewesen? Er hatte nicht wissen können, wohin ihn sein Beruf führte. Offiziell war er einfach als Erster Maat angestellt worden. Die Springeve war ein lebhaftes kleines Schiff, reagierte träge auf das Ruder und ging nervös vor starkem Wind. Aber sie war wundervoll für den Handel auf den Wasserstraßen zu den Lagunenstädten und Fluss-Siedlungen geeignet, die sie besuchten. Offiziell war die Springeve nur ein Handelsschiff.
Die Realität jedoch war erheblich finsterer. Brashen war das, was Kapitän Finney ihm zu sein befahl, Maat, Leibwächter, Übersetzer oder Frachtarbeiter. Und was Finney selbst anging: Brashen wurde aus dem Mann einfach nicht schlau. Er war nicht sicher, ob Finney ihm vertraute oder ihn nur testete. Die entwaffnende Offenheit des Mannes war eine Tarnung, um die meist ehrlosen Händler einzulullen, die mit ihm handelten. Der beleibte Mann hätte all diese Jahre in seinem Geschäft niemals überlebt, wenn er tatsächlich so vertrauensselig und offen gewesen wäre, wie er vorgab. An Bord seines Schiffes war er kompetent und auch geschickt darin, Menschen für sich zu gewinnen. Aber Brashen vermutete, dass er zu beinahe allem fähig war, wenn es ums Überleben ging. Irgendwann hatte ein Messer eine lange Spur auf seinem Bauch hinterlassen. Diese gezackte Narbe stand in seltsamem Kontrast zu dem scheinbar liebenswerten Charakter des Mannes. Seit Brashen sie gesehen hatte, beobachtete er seinen Kapitän genauso scharf wie die Leute, mit denen er Geschäfte machte.
Jetzt sah er, wie Finney sich lässig vorbeugte und rasch hintereinander auf zwölf Schmuckstücke tippte. »Die hier will ich in unseren Handel einbeziehen. Die anderen könnt Ihr wegbringen. Ich habe kein Interesse an Tand.« Der Kapitän lächelte, aber sein Finger hatte unbeirrt auf die Juwelen getippt, die auch Brashen für die wertvolleren Stücke aus Faldins Sammlung hielt. Faldin erwiderte das Lächeln, aber Brashen bemerkte das leichte Unbehagen auf der Miene des Kaufmanns. Brashens Gesicht dagegen blieb unbewegt. Er hatte schon häufiger gesehen, dass Finney so etwas tat. Der Mann war so sanft und nett wie eine Katze, aber wenn es schließlich ums Geschäft ging, würde dieser Faldin froh sein können, wenn er noch sein Hemd am Leib hatte. Brashen konnte den Vorteil einer solchen Taktik nicht erkennen. Als er noch für Ephron Vestrit arbeitete, hatte der Kapitän ihm gesagt: »Lass immer genug Fleisch am Knochen, sodass auch der andere zufrieden ist. Ansonsten wird bald niemand mehr mit dir handeln wollen.« Allerdings hatte Kapitän Vestrit nicht mit Piraten Geschäfte gemacht und mit Hehlern, die gestohlene Güter für die Piraten verkauften. Hier herrschten zwangsläufig andere Regeln.
Seit sie Candletown verlassen hatten, war die Springeve sehr gemächlich an der Küste der Verwunschenen Ufer entlanggesegelt. Das kleine Schiff hatte sich in
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