Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
einem Haus leben und all unsere Bemühungen darauf ausrichten, uns gegenseitig Gutes zu tun.« Sie sah zwischen ihren beiden Töchtern hin und her. »Ihr seid nicht so unterschiedlich, wie ihr glaubt. Wenn ihr erst einmal erkannt habt, was eine gemeinsame Kraft ausrichten kann, habt ihr gar nicht mehr den Wunsch, euch gegenseitig zu widersprechen. Ihr habt zwar gegensätzliche Ausgangspositionen, aber dazwischen gibt es viele mögliche Kompromisse. Sobald ihr euch wieder besser kennen gelernt habt, seid ihr vielleicht wieder offener dafür.«
Die Macht, die Ronica über ihre Töchter hatte, war beinahe spürbar. Im Raum herrschte Schweigen. Malta fühlte, wie sich die beiden Frauen wehrten. Sie sahen weder sich noch ihre Mutter an. Doch als das Schweigen anhielt, schaute erst Althea und dann auch Keffria hoch. Malta ballte die Hände zu Fäusten, als sich ihre Blicke trafen und etwas zwischen ihnen vorging. Was war es? Eine Erinnerung an einen lange vergessenen Einklang? Die Erkenntnis, dass sie ihrer Familie gegenüber eine Pflicht zu erfüllen hatten? Was es auch war, es überbrückte die Kluft zwischen ihnen. Sie lächelten zwar nicht, aber ihre Gesichter verloren den halsstarrigen Ausdruck. Keffria reichte ihrer Schwester die Hand. Althea gab nach und ergriff sie. Großmutter seufzte erleichtert auf. Sie schlossen den Familienkreis.
Niemand außer Malta bemerkte, dass sie daraus ausgeschlossen blieb.
Kälte stieg in ihr hoch, während Ronica ihren Töchtern versprach: »Es wird euch nicht Leid tun, dass ihr es versucht habt. Das verspreche ich euch.«
Malta zeigte ihr bitteres Lächeln nur dem Kaminfeuer, das beinahe heruntergebrannt war. Sie hatte ebenfalls Versprechen zu halten.
12. Das Porträt der Viviace
Brashen lehnte an der Wand der Kapitänskajüte und versuchte bedrohlich und gleichzeitig gelassen auszusehen. Es war keine leichte Aufgabe, sowohl ein liebenswertes Lächeln als auch einen schweren Knüppel zu zeigen. Andererseits hatte sich bisher auch nur sehr wenig an seinem Job als so einfach und leicht herausgestellt, wie er ursprünglich vermutet hatte.
Ein Strom von Dienern mit Waren flutete durch die Kajüte. Sie verwandelten Finneys unordentliche Unterkunft in einen Schauraum für Handelswaren. Der Kartentisch war bereits mit einer Lage mitternachtsblauem Samt bedeckt. Auf diesem Untergrund und mit Nadeln gegen Diebstahl gesichert, lagen Ohrringe, Halsbänder, Armbänder und andere Schmuckstücke. Es waren so viele verschiedene, dass sie nur allzu deutlich von ihren vielen Quellen kündeten. Das Bunte kämpfte mit dem Vornehmen. Alle Arten von Edelsteinen und -metallen waren vorhanden. Finney saß bequem da und betrachtete diesen Schatz. Mit seinen dicken Fingern betastete er den wundervoll geschwungenen Stiel eines Weinglases. Der Händler, ein Durjaner namens Sincure Faldin, stand respektvoll neben ihm. Er lenkte Finneys Aufmerksamkeit auf jedes einzelne Schmuckstück.
Soeben deutete er auf eine einfache, aber elegante Perlenkette mit dazu passenden Ohrringen. »Diese hier gehörten der Tochter eines Edelmanns. Beachtet die gewundenen Goldglieder zwischen jeder einzelnen Perle und auch ihr warmes Strahlen. Es ist allgemein bekannt, dass Perlen am besten an einem leidenschaftlichen Wesen erblühen, und diese Frau… ach, was soll ich von ihr sagen? Außer, dass sie keine Lust mehr hatte, gegen ein Lösegeld zu ihrer vermögenden Familie zurückzukehren, nachdem sie einmal ihre Häscher erblickt hatte. Man sagt, dass solche Perlen einer kalten Frau ermöglichen, ihre verborgenen Leidenschaften ans Licht zu holen. Doch wenn man sie einer heißblütigen Frau gibt, nun, dann riskiert ein Mann seine völlige körperliche Erschöpfung.«
Der Händler hob die Brauen und grinste anzüglich, und Finney lachte laut vor Vergnügen.
Dieser Kaufmann hatte eine Vorliebe für Geschichten. Angeblich hatte jedes Stück auf dem Tisch eine eigene Geschichte, die sowohl romantisch als auch faszinierend war. Noch nie zuvor hatte Brashen gestohlene Waren so kunstvoll dargeboten gesehen. Der Maat ermahnte sich zur Wachsamkeit und löste seinen Blick von dem bunt gekleideten Sincure Faldin. Stattdessen behielt er seinen Sohn im Auge, der immer noch neue Waren an Bord brachte und aufbaute. Die ganze Familie schien die Effekthascherei des Vaters zu beherrschen. Die drei Jungen waren ebenso opulent gekleidet wie ihr Vater, und ihre Garderobe bestand aus eben den Stoffen, die ein Junge jetzt in einem Regenbogen
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