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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sollen.
    »Aber was könnte das sein?«, sagte sie zu sich selbst.
    »Was?«, murmelte Sessurea schläfrig.
    Die drei schwebten miteinander verschlungen mitten in einem Hain aus schlummernden Seeschlangen. Es waren ungefähr noch ein Dutzend andere Schlangen. Nur in der Nacht schienen sie sich an eine Spur von zivilisiertem Verhalten zu erinnern und verbanden ihre Windungen miteinander, als wären sie ein richtiges Knäuel. Shreeva konzentrierte sich. »Nachdem wir Eine, die sich erinnert, gefunden und unsere Erinnerungen wiederhergestellt haben: Was geschieht dann?«
    Sessurea seufzte schläfrig. »Wenn ich die Antwort darauf wüsste, brauchte ich vielleicht keinen Hüter der Erinnerung zu suchen.«
    Maulkin, der zwischen ihnen schwebte, regte sich nicht einmal. Der Prophet schien jeden Tag schwächer zu werden. Sessurea und sie selbst kämpften immer aggressiver um die Nahrung, die ihnen der Versorger bot. Maulkin jedoch weigerte sich, die alten Sitten einfach aufzugeben. Selbst wenn er einen schlaffen Leichnam gepackt hatte, der durch die Fülle zu ihm schwebte, ließ er ihn sofort los, wenn einer der Seelenlosen ihn beanspruchte. Er gab lieber seinen berechtigten Anspruch auf Nahrung auf, als darum wie ein Vieh zu kämpfen. Die einstmals so strahlenden falschen Augen auf seinem Körper schienen jetzt kaum mehr als matte Flecken zu sein. Manchmal akzeptierte er, dass Shreeva ihm Nahrung brachte, aber ebenso oft wandte er sich einfach von ihr ab. Sie hatte nicht den Mut, ihn zu fragen, ob er sich auch von ihrer Suche abgewandt hatte.
    Plötzlich gab es Unruhe in dem Wald der schlafenden Seeschlangen. Mit nahezu traumwandlerischer Langsamkeit löste sich eine schlanke, gelbgrüne Schlange aus dem schlummernden Knäuel und stieg träge hinauf in die Leere. Shreeva und Sessurea tauschten vielsagende Blicke. Sie waren zwar verwirrt, aber auch viel zu müde, um neugierig zu sein. Das Verhalten der Seelenlosen ergab keinen Sinn, und es hatte keinen Zweck, über ihr Verhalten zu spekulieren. Shreeva klappte wieder die Lider über die Augen.
    Doch dann erklangen hoch über ihnen die merkwürdig reinen Töne eines Gesanges. Eine Weile lauschte Shreeva ehrfürchtig. Jede Note stimmte, und jedes Wort war perfekt artikuliert. Es war nicht das willkürliche Pfeifen und Brüllen, dem sich eine unbeschwerte Seeschlange hingegeben hätte, sondern der glorreiche Jubel von einer, der es bestimmt war zu singen. Shreeva klappte die Lider von den Augen.
    »Das Lied der Einfachheit«, flüsterte Maulkin heiser. Sessurea rollte langsam zustimmend mit den Augen. Vorsichtig befreiten sich die drei, schwebten zum oberen Rand der Fülle und reckten ihre Köpfe in die Leere hinaus.
    Dort schwang der Grüne unter einem runden Vollmond seinen Kopf und sang. Seine schwere Mähne hing schlaff um seinen Hals. Sein Maul war weit aufgerissen, und seine Stimme war volltönend und laut. Die Worte drangen klar und süß aus dem Mund von einem, der vorher stumm gewesen war. Vers um Vers sang er die eleganten Worte des uralten Liedes des Anfangs. Früher einmal hätten die Zuhörer in den Refrain eingestimmt, um zusammen die Tage der wärmeren Fülle und der Fischschwärme zu feiern. Aber jetzt schwiegen sie und hörten diesem Glück zu, ohne einzustimmen, weil sie fürchteten, es zu unterbrechen.
    Der Sänger war wundervoll in seiner Intensität und Konzentration. Sein Kopf schwankte langsam, während er sang, und sein Hals pulsierte mächtig, als er die tiefen, vollen Töne ausstieß. Shreeva sah ihm nicht in die Augen. Sie waren weit geöffnet und vollkommen leer, selbst als er die heiligsten Lieder sang. Neben ihr senkte Maulkin den Kopf. Er wurde von Gefühlen durchflutet, die seine falschen Augen kurz aufglänzen ließen. Langsam richtete sich die Mähne um seinen Hals auf. Sein Gift bedeckte kaum die Spitzen, wo es doch einmal so viel und so intensiv gewesen war. Ein einzelner Tropfen fiel herab und brannte ekstatisch auf Shreevas Haut. Einen Augenblick lang war die Nacht klar, hell und warm vor Verheißung.
    »Bewahr dir deine Stärke«, riet Sessurea ihm traurig. »Seine Musik ist wundervoll, aber er steht nicht mit dem Herz dahinter. Wir können ihn nicht wiederbeleben. Wenn du es versuchst, wird es dich nur schwächen!«
    »Ich darf meine Stärke nicht für mich behalten«, bemerkte Maulkin und fuhr gereizter fort: »Manchmal fürchte ich, dass es auch nichts gibt, wofür ich sie aufsparen sollte.« Trotz seiner Worte näherte er sich der

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