Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
sprach absichtlich leiser, damit diejenigen, die zuhören wollten, näher treten mussten. Und viele hatten das getan, einschließlich einiger Piraten. Letztere wirkten ziemlich bedrohlich.
Sa'Adar lächelte überheblich. »Deine Wahrheit ist vermutlich, dass das Schiff dir gehört.«
Wintrow schüttelte den Kopf, erwiderte aber das Lächeln. »Das Schiff gehört nur sich selbst. Viviace ist ein freies Geschöpf, mit dem Recht, ihr eigenes Leben zu führen. Oder würdet Ihr, der Ihr selbst in Ketten gelegen habt, Euch anmaßen, einem anderen eben diese Grausamkeit zuzufügen?«
Scheinbar sprach er zu Sa'Adar. Wintrow sah sich nicht danach um, wie seine Worte auf die anderen wirkten. Stattdessen schwieg er, als erwarte er eine Antwort. Nach einem Moment lachte Sa'Adar verächtlich. »Das kann er nicht ernst meinen«, versicherte er den Leuten. »Die Galionsfigur kann durch irgendeinen Zauber sprechen. Das ist ein interessanter Trick aus Bingtown. Aber ein Schiff ist ein Schiff, ein Ding und keine Person. Und rechtmäßig gehört das Schiff uns!«
Doch nur wenige Sklaven stimmten ihm murmelnd zu, denn kaum hatte er die letzten Worte geäußert, als ein Pirat ihn zur Rede stellte. »Willst du hier zur Meuterei aufrufen?«, verlangte der ergraute Seebär zu wissen. »Wenn ja, dann springst du unverzüglich über die Klinge.« Der Mann lächelte ihn eindeutig unfreundlich an und entblößte dabei große Lücken in seinen Zahnreihen. Der große Pirat links neben ihm lachte kehlig und rollte mit den Schultern. Diese subtile Zurschaustellung seiner Kraft war eindeutig an Sa'Adars Kartenvisagen gerichtet. Die beiden tätowierten Männer standen hoch aufgerichtet da und sahen den Priester mit zusammengekniffenen Augen an.
Sa'Adar schien schockiert. Offenbar hatte er damit nicht gerechnet. Aber er gab nicht nach und antwortete empört: »Warum sollte Euch das interessieren?«
Der untersetzte Pirat stieß dem großen Priester den Zeigefinger gegen die Brust. Und er ließ ihn da, während er erwiderte: »Kennit ist unser Kapitän. Was er sagt, gilt. Klar?« Als der Priester nicht antwortete, grinste der Mann. Sa'Adar musste vor dem Druck des Zeigefingers zurückweichen. Dann drehte sich der Pirat um und bemerkte über die Schulter: »Du solltest lieber nichts in Frage stellen, was Kennit tut. Wenn es dir nicht passt, sag es ihm ins Gesicht. Er ist hart, aber gerecht. Wenn du hinter seinem Rücken tuschelst und Unruhe auf dem Schiff verbreitest, wird das nur auf dich selbst zurückfallen.«
Ohne sich noch einmal umzusehen, gingen die Piraten wieder an ihre Arbeit. Die Leute konzentrierten sich auf Sa'Adar. Er unterdrückte das wütende Glühen in seinen Augen nicht, aber seine Stimme klang dünn und kindlich, als er sagte: »Verlasst euch darauf, dass ich mit Kennit darüber reden werde. Darauf könnt ihr euch verlassen!«
Wintrow senkte den Blick. Vielleicht hatte sein Vater Recht. Vielleicht gab es tatsächlich einen Weg, das Familienschiff sowohl von den Piraten als auch von den Sklaven zurückzugewinnen. Jeder Konflikt bietet auch jemandem eine Chance. Sein Herz schlug heftiger, als er davonschritt, und er fragte sich, wo solche Gedanken in ihm entstanden sein könnten.
Viviace war beschäftigt. Obwohl sie über das Wasser auf das Heck der Marietta starrte, war ihre eigentliche Aufmerksamkeit nach innen gerichtet. Der Mann am Ruder war kompetent, und die Leute, die in ihrer Takelage herumsprangen, waren ohne Ausnahme echte Seeleute. Die Matrosen reinigten ihre Decks und die Laderäume, reparierten Holz und polierten das Metall. Zum ersten Mal seit vielen Monaten hatte sie keine Klagen über die Fähigkeiten ihres Kapitäns. Sie konnte sich vollkommen auf ihre eigenen Probleme konzentrieren und darauf vertrauen, dass die, die sie führten, ihr Handwerk verstanden.
Ein erwachtes Zauberschiff spürte durch sein Hexenholzgerippe alles, was in seinem Inneren vor sich ging. Vieles davon war sicher alltäglich und nicht weiter wichtig. Die Reparatur eines Taus oder das Schälen einer Zwiebel in der Kombüse interessierte sie natürlich nicht. Diese Dinge konnten ihren Lebensweg nicht beeinflussen. Kennit dagegen schon. Der rätselhafte Mann schlief rastlos im Kapitänsquartier. Viviace konnte ihn zwar nicht sehen, aber sie nahm ihn auf eine Weise wahr, für die Menschen keine Worte kannten. Sein Fieber stieg wieder. Die Frau, die sich um ihn kümmerte, war besorgt. Sie machte etwas mit kaltem Wasser und einem Lappen. Viviace
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