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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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suchte in ihr nach Einzelheiten, aber sie fand keine Verbindung zu ihr. Noch kannte sie sie nicht gut genug.
    Kennit war für sie viel zugänglicher als Etta. Seine Fieberträume sprudelten achtlos aus ihm heraus und drangen in Viviace ein wie das Blut, das auf ihren Decks vergossen worden war. Sie absorbierte sie, wurde aber nicht schlau aus ihnen. Ein kleiner Junge wurde gequält, hin und her gerissen zwischen der Loyalität zu einem Vater, der ihn liebte, aber nicht wusste, wie er ihn schützen sollte, und einem Mann, der ihn vor anderen schützte, der aber kein bisschen Liebe in seinem Herzen spürte. Und immer wieder stieg eine Schlange aus den Tiefen seines Traumes auf und trennte sein Bein ab. Der Biss ihrer Kiefer war scharf und eisig. Aus seiner tiefsten Seele griff er nach Viviace, hin zu einer tiefen Anteilnahme, die er nur aus einer diffusen Erinnerung einer verlorenen Kindheit kannte.
    »Hallo, hallo, was ist das denn? Oder vielleicht sollte ich fragen, wer ist das?«
    Die Stimme, eindeutig Kennits Stimme, ertönte als ein leises Wispern in ihrem Verstand. Sie schüttelte den Kopf, dass ihre schwarzen Locken im Wind nur so flogen. Der Pirat sprach nicht mit ihr. Selbst in ihren eindringlichsten Gesprächen mit Althea und Wintrow hatte sie deren Gedanken nicht so klar wahrgenommen. »Da spricht auch nicht Kennit«, murmelte sie leise. Dessen war sie sicher. Trotzdem war es seine Stimme. Der Kapitän lag in seinem Salon und atmete angestrengt und keuchend, wobei er heftige Verwünschungen murmelte. Plötzlich stöhnte er.
    »Nein, ich bin nicht Kennit«, bestätigte die piepsige Stimme amüsiert. »Genauso wenig, wie du die Vestrit bist, für die du dich hältst. Also, wer bist du?«
    Es war beunruhigend, einen anderen Verstand in sich zu spüren, der nach ihrer Reaktion forschte. Instinktiv zuckte sie vor dem Kontakt zurück. Sie war stärker als er. Als sie sich von ihm zurückzog, konnte er ihr nicht folgen. Aber dadurch unterbrach sie auch den zerbrechlichen Kontakt zu Kennit. Frustration und Ärger wallten in ihr hoch. Sie ballte die Fäuste und stürzte sich in die nächste Welle, statt sie sauber zu durchschneiden. Der Steuermann fluchte und nahm eine kleine Korrektur am Ruder vor. Viviace leckte sich die salzige Gischt von den Lippen und schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht. Wer und was war er? Sie hielt ihre Gedanken verschlossen und versuchte herauszufinden, was überwog, ihre Angst oder ihre Faszination. Gleichzeitig spürte sie eine merkwürdige Verwandtschaft zu dem Wesen, das mit ihr gesprochen hatte. Sie hatte seine aggressive Neugier zwar mit Leichtigkeit zurückgeschmettert, aber es gefiel ihr nicht, dass überhaupt jemand versucht hatte, ihren Verstand zu erforschen.
    Das würde sie nicht tolerieren. Wer auch immer der Eindringling war, sie würde ihn demaskieren und stellen. Sorgfältig errichtete sie ihre eigene Abwehr, während sie ihre Fühler vorsichtig nach der Kabine ausstreckte, in der Kennit sich im Schlaf wälzte. Den Piraten fand sie sofort. Er kämpfte sich immer noch durch seine Fieberträume, versteckte sich in einem Schrank, während ein Traumjäger seinen Namen mit einer falschen Freundlichkeit rief. Die Frau legte ihm ein kühles Tuch auf die Stirn und ein anderes über seinen geschwollenen Beinstumpf. Viviace spürte augenblicklich die Linderung, die ihm das bereitete. Das Schiff tastete sich erneut vor, kühner diesmal, aber sie fand sonst niemanden.
    »Wo bist du?«, verlangte sie verärgert zu wissen. Kennit zuckte mit einem Schrei zusammen, als der Jäger in seinem Traum die Worte wiederholte. Etta beugte sich über ihn und versuchte ihn zu beruhigen.
    Viviaces Frage blieb unbeantwortet.

    Kennit tauchte auf und erlangte keuchend das Bewusstsein. Er brauchte einen Augenblick, bis er wusste, wo er war. Dann verzog er erfreut seine vom Fieber ausgetrockneten Lippen zu einem Lächeln. Sein Zauberschiff. Er war an Bord seines Zauberschiffs, in der gut ausgestatteten Kapitänskajüte. Ein feines Leinenlaken bedeckte seinen verschwitzten Körper. Poliertes Messing und Holz verbreiteten eine sowohl gemütliche als auch edle Atmosphäre. Er hörte, wie das Wasser schäumte, während die Viviace den Kanal durchquerte. Beinahe konnte er das Bewusstsein des Schiffes um sich herum fühlen und spüren, wie es ihn beschützte. Sie war wie eine zweite Haut und schirmte ihn vor der Welt ab. Er seufzte zufrieden und hustete sofort wegen des trockenen Schleims in seinem

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