Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Puls befestigt. Durch sein Fieber schien es, als würde das Gesicht ihm näher kommen, und er schloss die Augen.
»Glaubst du wirklich, dass der Junge dich heilen kann? Nein. So dumm kannst du nicht sein. Natürlich bist du so verzweifelt, darauf zu bestehen, dass er es versucht. Weißt du, was mich verblüfft? Dass der Tod dir genug Angst einjagt, dich mutig dem Messer des Feldschers zu stellen. Denk nur an das geschwollene Fleisch, das so empfindlich ist, dass du kaum den Druck eines Lakens darauf ertragen kannst. Du wirst zulassen, dass er ein Messer daran ansetzt, ein glänzendes, scharfes Messer, das silbrig schimmert, bevor das Blut es rötet…«
»Amulett!« Kennit öffnete leicht die Augen. »Warum quälst du mich?«
Das Amulett spitzte die Lippen. »Weil ich es kann. Vermutlich bin ich der Einzige auf der Welt, der den großen Kapitän Kennit quälen kann. Den Befreier. Den Möchtegern-König der Piraten-Inseln.« Das kleine Gesicht kicherte und fügte schneidend hinzu: »Der unerschrockene Seeschlangenköder der Inneren Passage. Sag mir eins: Was willst du von diesem Jungen-Priester? Begehrst du ihn? Er rührt in deinen Fieberträumen an das, was du einmal gewesen bist. Würdest du selbst tun, was man mit dir gemacht hat?«
»Nein. Ich war niemals…«
»Was denn, ›niemals‹?« Das Hexenholzamulett kicherte grausam. »Glaubst du wirklich, dass du mich belügen könntest, so eng, wie wir miteinander verbunden sind? Ich weiß alles über dich. Alles!«
»Ich habe dich gemacht, damit du mir hilfst, nicht damit du mich quälst! Warum wendest du dich gegen mich?«
»Weil ich hasse, was du bist!«, erwiderte das Amulett hitzig. »Ich hasse es, ein Teil von dir zu werden und dir bei dem zu helfen, was du tust.«
Kennit schnappte nach Luft. »Was willst du von mir?« Es war ein Schrei der Unterwerfung, ein Flehen nach Gnade oder Mitleid.
»Sieh an. Auf diese Frage bist du bis jetzt noch nie gekommen. Was will ich von dir?« Das Amulett kostete die Frage aus. »Vielleicht will ich, dass du leidest. Vielleicht genieße ich es, dich zu quälen. Und vielleicht…«
Vor der Türe ertönten Schritte. Sie stammten von Ettas Stiefeln und dem Klatschen nackter Füße.
»Sei nett zu Etta«, verlangte das Amulett hastig. »Vielleicht werde ich dann…«
Als sich die Tür öffnete, verstummte das Hexenholzgesicht. Es war nur mehr ein unbewegliches, schweigendes Stück Holz an einem Armband am Handgelenk eines kranken Mannes. Wintrow trat ein, unmittelbar gefolgt von der Hure. »Kennit, hier ist er«, verkündete Etta, als sie die Tür hinter sich schloss.
»Gut. Lass uns allein.« Wenn das verdammte Amulett glaubte, es könnte ihn zu etwas zwingen, dann irrte es sich.
Etta schien bestürzt. »Kennit… Glaubt Ihr, dass das klug ist?«
»Nein. Ich glaube, es ist dumm. Deshalb habe ich es dir ja auch befohlen, weil ich mich so gern in Dummheit aale.« Er warf ihr diese Worte mit heiserer, gesenkter Stimme zu und beobachtete derweil, ob sein Amulett reagierte. Es blieb regungslos, aber seine kleinen Augen funkelten. Vermutlich sann es auf Rache. Das kümmerte ihn nicht. Solange er noch atmete, würde er nicht vor einem Stück Holz kuschen.
»Hinaus!«, wiederholte er. »Lass den Jungen hier.«
Sie marschierte hoch aufgerichtet hinaus und schloss die Tür fest hinter sich. Fest, aber ohne sie zuzuknallen. Sobald sie draußen war, richtete sich Kennit in eine halb sitzende Position auf. »Komm her!«, befahl er Wintrow. Als der Junge sich dem Bett näherte, packte Kennit die Ecke des Lakens und schlug es beiseite. Sein verletztes Bein kam in seiner ganzen eiternden Glorie zum Vorschein. »Da ist es«, erklärte Kennit angewidert. »Was kannst du für mich tun?«
Bei dem Anblick erbleichte der Junge. Kennit wusste, dass er sich zusammenreißen musste, um neben das Bett treten zu können und das Bein genauer zu betrachten. Bei dem Gestank rümpfte er die Nase. Dann hob er den Blick und sah Kennit an. »Ich weiß es nicht«, antwortete er aufrichtig. »Es sieht ziemlich schlimm aus.« Sein Blick schoss zwischen dem Bein und dem Piraten hin und her. »Wir können es folgendermaßen sehen: Wenn ich nicht versuche, Euer Bein abzunehmen, müsst Ihr sterben. Was haben wir zu verlieren, wenn wir es versuchen?«
Der Pirat grinste gequält. »Ich? Nicht viel, wie es scheint. Aber du hast immer noch dein Leben und das deines Vaters in der Waagschale.«
Wintrow lachte freudlos. »Ich weiß sehr wohl, dass mein Leben
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