Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Hals.
»Etta«, krächzte er. »Wasser.«
»Hier, ich habe es hier«, erwiderte sie beruhigend.
Tatsächlich. Kennit stellte überrascht fest, dass sie bereits mit einem Becher Wasser neben ihm stand. Mit ihren langen, kühlen Fingern stützte sie seinen Hals, damit er den Kopf zum Trinken heben konnte. Danach drehte sie geschickt sein Kissen herum, bevor sie ihn langsam wieder zurücksinken ließ. Mit einem kühlen Lappen tupfte sie ihm den Schweiß aus dem Gesicht und wischte auch seine Hände ab. Er blieb regungslos und still liegen, kraftlos und dankbar für ihre Wohltaten. Einen Augenblick erfüllte ihn tiefer Friede.
Doch das hielt nicht lange an. Die Schmerzen in seinem geschwollenen Bein machten sich unmissverständlich bemerkbar. Er versuchte, sie zu ignorieren. Aber die Schmerzen steigerten sich mit jedem Atemzug. Die Hure saß neben seinem Bett und nähte etwas. Teilnahmslos betrachtete er sie. Sie sah älter aus, als er sie im Gedächtnis gehabt hatte. Die Linien um ihren Mund und auf ihrer Stirn waren tiefer. Ihr Gesicht unter dem kurzen schwarzen Haarschopf war ausgemergelt. Dadurch wirkten ihre dunklen Augen noch eindringlicher.
»Du siehst schrecklich aus«, bemerkte er tadelnd.
Sie legte die Näharbeit weg und lächelte ihn an, als habe er ihr ein Kompliment gemacht. »Es fällt mir schwer, Euch so zu sehen. Wenn Ihr krank seid… dann kann ich nicht schlafen und nichts essen…«
Was für eine egoistische Frau. Sie hatte sein Bein an eine Seeschlange verfüttert und versuchte jetzt, so zu tun, als wäre das ihr Problem. Sollte er jetzt etwa noch Mitleid für sie empfinden? Er schob den Gedanken beiseite. »Wo ist der Junge? Wintrow?«
Sie stand sofort auf. »Wollt Ihr ihn?«
Dumme Frage. »Natürlich will ich ihn. Er soll mein Bein heilen. Warum hat er das noch nicht gemacht?«
Sie beugte sich über das Bett und lächelte ihn zärtlich an. Er wollte sie wegdrücken, verfügte aber nicht über genügend Kraft. »Ich glaube, er will warten, bis wir in Bullenbach eingelaufen sind. Er möchte einige Dinge parat haben, bevor er… Euch heilt.« Sie wandte sich unvermittelt von seinem Krankenbett ab, aber er hatte noch die Tränen in ihren Augen glitzern sehen. Ihre breiten Schultern waren gebeugt, und sie stand nicht mehr stark und aufrecht da. Anscheinend erwartete sie nicht, dass er überlebte. Als ihm das so plötzlich klar wurde, ärgerte und erschreckte es ihn gleichzeitig. Es kam ihm vor, als wünschte sie ihm den Tod.
»Geh und hol den Jungen!«, befahl er barsch. Er wollte sie nicht mehr sehen. »Erinnere ihn daran. Erinnere ihn daran, dass er und sein Vater sterben, wenn ich sterben muss. Sag ihm das!«
»Ich schicke jemanden, der ihn sucht«, erwiderte sie mit bebender Stimme und ging zur Tür.
»Nein. Du gehst selbst, und zwar sofort, und holst ihn. Jetzt.«
Sie drehte sich um und strich ihm zu seinem Ärger sanft über das Gesicht. »Wenn Ihr das wollt«, sagte sie beruhigend, »gehe ich sofort.«
Er sah ihr nicht nach, sondern lauschte auf ihre Schritte auf dem Deckboden. Sie beeilte sich, und als sie hinausging, schloss sie die Tür leise hinter sich. Er hörte, wie sie jemanden ärgerlich anfuhr. »Nein. Geh weg. Ich will nicht, dass er jetzt mit solchen Dingen belästigt wird.« Und dann fügte sie mit leiserer, drohender Stimme hinzu: »Berühr diese Tür, und ich bringe dich auf der Stelle um.« Wer auch immer es war, er hörte auf sie, denn niemand klopfte.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Schmerz. Das Fieber ließ die Welt schärfer und ihre Farben deutlicher erscheinen. Die gemütliche Kabine schien auf ihn einzudrängen, drohte, auf ihn herabzustürzen. Er schob das Laken weg und hoffte, kühlere Luft zu finden.
»Also, Kennit, was hast du mit deinem ›Gassenjungen‹ vor, wenn er kommt?«
Der Pirat presste die Augen fest zu und versuchte, die Stimme zu ignorieren.
»Wie amüsant. Glaubst du wirklich, dass ich dich nicht sehe, wenn du die Augen zumachst?« Das Amulett war gnadenlos.
»Halt den Mund, und lass mich in Ruhe. Ich wünschte, ich hätte dich niemals schnitzen lassen.«
»Oh, jetzt hast du aber meine Gefühle verletzt! Was für böse Worte, nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben.«
Kennit öffnete die Augen, hob den linken Arm und starrte auf das Armband. Das winzige Hexenholzamulett, das seinem eigenen verschlossenen Gesicht nachgebildet worden war, lächelte ihn freundlich an. Es war mit Lederbändern über seinem
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