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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Jamaillia als Oberhaupt absetzen, seine Steuern und Einschränkungen verweigern und frei überall dort Handel treiben, wo es uns gefällt.« Seine Stimme wurde leiser, als seine Mutter ihn finster anblickte, aber sie hatte ihn damit nicht zum Schweigen gebracht. »Lass uns ohne Scham zeigen, wer wir sind, und dazu stehen, wo und wie wir leben und dass wir das freiwillig tun. Das sollten wir meiner Meinung nach tun.«
    Jani Khuprus seufzte. »Du bist noch sehr jung, Reyn«, sagte sie nur.
    »Wenn du dumm meinst, dann sag auch dumm«, schlug er ohne Boshaftigkeit vor.
    »Ich meine nicht dumm«, antwortete sie freundlich. »Ich habe jung gesagt und auch genau das gemeint. Die Bürde der Verwunschenen Ufer lastet längst nicht so schwer auf deinen und meinen Schultern wie auf denen der anderen Regenwild-Händler. In gewisser Weise macht das unser Schicksal schwerer, nicht leichter. Wir besuchen Bingtown, blicken hinter unseren Schleiern hervor und sagen: ›Aber ich bin doch gar nicht so viel anders wie die Leute, die hier leben. Nach einer Weile werden sie mich akzeptieren, und ich könnte mich frei unter ihnen bewegen.‹ Vielleicht vergisst du dann, wie schwer es für Kys oder Tillamon wäre, unverschleiert vor unwissenden Augen zu stehen.«
    Als sie die Namen seiner Schwestern erwähnte, schlug Reyn die Augen nieder. Niemand konnte sagen, warum die Missbildungen, die für die Kinder der Regenwildnis ein so gewohntes Schicksal waren, seine Schwestern so hart getroffen und ihn nur leicht gestreift hatten. Hier, unter ihresgleichen, war es keine so ungeheure Bürde. Warum sollte man beim Anblick des Gesichts eines Nachbarn erbleichen, dessen Haut genauso viele Warzen und Geschwüre hatte wie das eigene? Dagegen war allein die Vorstellung, dass seine kleine Halbschwester Kys unverschleiert über eine Straße von Bingtown ging, verwegen. Jani las diese Gedanken auf Reyns Gesicht so klar wie in einem Buch. Er runzelte die Stirn, als ihm das Ausmaß dieser Ungerechtigkeit deutlich wurde.
    Um seinen Mund lag ein bitterer Zug, als er weiterredete. »Wir sind ein wohlhabendes Volk. Ich bin weder zu jung noch so dumm, nicht zu wissen, dass wir uns Akzeptanz erkaufen könnten. Normalerweise würden wir zu den reichsten Menschen auf der Welt gehören, wenn nicht der Satrap seinen Fuß auf unseren Hals gesetzt hätte und mit seiner Hand ständig in unsere Tasche griffe. Merk dir meine Worte, Mutter. Könnten wir die Fron seiner Steuer abwerfen und die Einschränkungen des freien Handels überwinden, dann brauchten wir die Funde nicht zu zerstören, die uns reich machen. Wir könnten die Stadt in alter Pracht wiederherstellen, statt sie ihrer Schätze zu berauben und sie woanders zu verkaufen. Die Menschen könnten herkommen, würden unsere Schiffe bezahlen, damit sie sie den Fluss hinaufbrächten, und sie würden es gern tun. Sie würden uns ansehen und ihre Blicke nicht abwenden, weil die Menschen schnell alle die lieben, die reich sind. Dann hätten wir Muße genug, den wahren Schlüssel für die Geheimnisse zu finden, die wir jetzt mit Hämmern und Meißeln herausschlagen. Wenn wir wahrhaftig ein freies Volk wären, könnten wir all die Wunder dieser Stadt ans Tageslicht bringen. Die Sonne würde durch diese Kammer fluten, wie sie es einst getan hat, und die Königin, die hier gefangen gehalten wird…«
    »Reyn«, unterbrach seine Mutter ihn leise. »Nimm deine Hand von diesem Hexenholzstamm.«
    »Es ist kein Stamm«, erwiderte er genauso leise. »Es ist kein Stamm, und wir beide wissen das ganz genau.«
    »So wie wir beide wissen, dass die Worte, die aus deinem Mund dringen, nicht nur die deinen sind, Reyn. Es spielt keine Rolle, wie wir es nennen. Was wir beide wissen, ist, dass du viel zu viel Kontakt damit gehabt hast, während du die Wandgemälde betrachtet und die Glyphen auf den Säulen studiert hast. Es gewinnt Herrschaft über deine Gedanken und macht dich zu seinem Eigen.«
    »Nein!« Seine Ablehnung klang vehement. »Das ist nicht die ganze Wahrheit, Mutter. Sicher, ich habe viel Zeit in dieser Kammer verbracht und die Schriftzeichen der Altvorderen studiert. Und ich habe auch das untersucht, was wir aus dem Inneren der anderen ›Stämme‹ geworfen haben, die einst in der Kammer gewesen sind.« Er schüttelte den Kopf, und sein kupferrotes Haar schimmerte in dem diffusen Licht. »Särge. Es seien Särge, hast du mir erzählt, als ich noch jung war. ,Aber das stimmt nicht. ›Wiegen‹ wäre der passendere Ausdruck

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