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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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der Oberfläche eingelassen war, schimmerte auf. Wie immer beeindruckte er sie sehr. Sie konnte gut verstehen, dass ihre Vorfahren diesen gekrönten Hahn zu ihrem Wappen auserkoren hatten, als sie ihn entdeckten. Der Hahn auf der Tür hob drohend einen Fuß mit mächtigen Krallen, und seine Flügel waren einschüchternd halb ausgebreitet. Jede Feder an seinem ausgestreckten Hals glänzte, und der Diamant an der Stelle, an der sein Auge war, schimmerte dunkel. Sie drückte mit der Hand fest gegen seine Brust und öffnete die Tür. Dahinter war es stockfinster.
    Nur ihre Vertrautheit mit den Örtlichkeiten führte sie sicher die Stufen in den gewaltigen Raum hinunter. Als sie weiter in die riesige Schwärze der Kammer des Gekrönten Hahns vordrang, schalt sie sich. Reyn war doch nicht hier. Sie hatte auf der Suche nach ihrem Sohn den ganzen Weg umsonst zurückgelegt. An der Wand neben dem Fuß der Treppe blieb sie stehen und sah sich um, ohne etwas erkennen zu können. Als er sie aus der Dunkelheit ansprach, zuckte sie zusammen.
    »Hast du jemals versucht, dir auszumalen, wie diese Kammer gewirkt haben muss, als sie noch neu war? Stell sie dir vor, Mutter. An einem Tag wie heute hätte die Frühlingssonne ihr Licht durch die Kristallkuppel ergossen und die Farben der uralten Wandgemälde erweckt. Was haben sie hier gemacht? Nach den tiefen Aushöhlungen auf dem Boden und der zufälligen Anordnung der Tische zu urteilen, sind die Hexenholzblöcke nicht ständig hier gelagert worden. Nein, ich vermute, dass sie sie in aller Hast hergebracht haben, um sie vor der Katastrophe zu schützen, die die Stadt unter sich begrub. Was war also vorher der Zweck dieses riesigen Raums mit seiner Kristallkuppel und seinen geschmückten Gemäuern? Die uralten Tontöpfe lassen den Schluss zu, dass sie als Pflanzenkübel dienten. War es nur ein geschützter Garten, wo man selbst bei stürmischem Wetter gemütlich spazieren konnte? Oder war es…?«
    »Reyn, das reicht!«, rief seine Mutter verärgert. Sie tastete mit den Fingern nach dem Jidzin-Band in der Wand. Sie drückte fest darauf, und einige Schmuckpaneele in den Wänden reagierten mit einem schwachen Leuchten. Sie runzelte die Stirn. In ihrer Jugend waren sie noch viel heller gewesen, und jede Blume und Blüte hatte geleuchtet. Jetzt wurden sie mit jedem Tag, der verstrich, schwächer. Sie wollte sich nicht von dem Gedanken niederdrücken lassen, dass sie starben. Aber sie klang etwas verärgert, als sie ihrem Sohn eine Frage stellte. »Was machst du hier im Dunkeln? Warum bist du nicht im Westflügel und beaufsichtigst die Arbeiter? Sie haben ein neues Portal gefunden, das in einer Wand der siebten Kammer verborgen war. Sie brauchen deine Intuition, damit du errätst, wie es geöffnet werden kann.«
    »Du meinst, wie es zerstört werden kann«, verbesserte sie Reyn.
    »Ach, Reyn«, tadelte sie ihn müde. Sie war dieser Diskussionen mit ihrem jüngsten Sohn überdrüssig. Manchmal kam es ihr so vor, als ob ausgerechnet er, der die größten Talente hatte, den Plätzen der Altvorderen ihre Geheimnisse abzutrotzen, von seinen Fähigkeiten am wenigsten Gebrauch machte. »Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Sollen wir alles begraben und so lassen, wie wir es gefunden haben? Sollen wir die Regenwildnis aufgeben und zurück nach Bingtown gehen und mit unseren Verwandten dort leben? Das wäre nur für sehr kurze Zeit ein geeigneter Zufluchtsort.«
    Sie hörte das leichte Schlurfen seiner Füße, als er den letzten großen Klotz aus Hexenholz umrundete, der in der Kammer des Gekrönten Hahns zurückgeblieben war. Reyn bewegte sich wie ein Schlafwandler. Ihr sank der Mut, als sie bemerkte, wie er ging und dabei mit den Fingern über den gewaltigen Baumstamm strich. Er trug einen Mantel und hatte die Kapuze übergezogen. Es war feucht und kalt in der Kammer. »Nein«, erwiderte er ruhig. »Ich liebe die Regenwildnis genau wie du. Es verlangt mich nicht danach, woanders zu leben. Genauso wenig glaube ich, dass mein Volk sich weiterhin verstecken und im Geheimen leben sollte. Und wir sollten auch nicht weiter die uralten Besitztümer der Altvorderen plündern und zerstören, einfach nur, um für unsere Sicherheit zu bezahlen. Ich glaube stattdessen, dass wir alles wiederherstellen und verehren sollten, was wir hier entdeckt haben. Wir sollten die Erde und die Asche abtragen, die diese Stadt bedeckt, und sie wieder dem Licht der Sonne und des Mondes aussetzen. Wir sollten den Satrapen von

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