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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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brauchte sein Gesicht nicht zu sehen und musste nicht einmal seine Haltung betrachten, um zu wissen, dass sie auf der ganzen Linie gesiegt hatte. Es lag alles in seiner Stimme. »Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als in diesen Dingen Euer Lehrer sein zu dürfen.«

8. Versenkungen

    »Er hat aufgehört!« Viviace war erstaunt.
    »Nein!«, schrie Wintrow mit sich überschlagender Stimme.
    Er wirbelte von der Reling herum, stürmte vom Vordeck, überquerte das Hauptdeck und raste den Gang hinunter. Die Furcht vor dem Tod war alles gewesen, was den Piraten am Leben erhalten hatte. Als Wintrow und Viviace den Mann ermutigt hatten, ihn nicht mehr zu fürchten, hatte Kennit einfach losgelassen. Wintrow machte an der Tür des Kapitänsquartiers weder halt, noch klopfte er an. Etta sah erstaunt und wütend hoch, als er hereinstürzte. Sie war gerade dabei, Leinenbandagen zusammenzufalten. Als Wintrow zum Bett stürzte, wollte sie ihn aufhalten.
    »Weck ihn ja nicht auf!«, ermahnte sie ihn. »Er schläft endlich.«
    »Er versucht zu sterben!«, fuhr Wintrow sie an, während er sich an ihr vorbeidrängte. An Kennits Bett packte er die Hand des Piraten und rief seinen Namen. Der Mann reagierte nicht. Er stieß Kennit gegen die Wange und ohrfeigte ihn. Er kniff den Piraten in die Wange, erst sanft und dann fester, und versuchte, eine Reaktion hervorzurufen. Es gab keine. Kennit atmete nicht mehr.
    Er war tot.
    Kennit ließ sich in das Dunkel fallen und sank sanft hinunter wie ein Blatt, das auf den Waldboden segelt. Er fühlte sich wohl. Nur ein dünner, silberner Faden aus Schmerz verankerte ihn noch mit dem Leben; er wurde dünner, während er fiel. Schon bald würde er ins Nichts verblassen, und dann war er endlich von seinem Körper befreit. Es schien nicht mehr wichtig, dass er darauf achtete. Nichts war seiner Aufmerksamkeit wert. Er ließ sich gehen und fühlte, wie sein Bewusstsein sich ausdehnte. Nie zuvor hatte er begriffen, wie eng die Gedanken eines Menschen in seinem Körper zusammengepfercht waren. All seine Sorgen und Ideen waren zusammengewürfelt wie die Besitztümer eines Seemanns in seinem Seesack. Jetzt jedoch hatten sie Platz und konnten sich voneinander lösen. Jeder Gedanke bekam seine eigene Bedeutung.
    Plötzlich fühlte er ein Ziehen. Es war so hartnäckig, dass er ihm nicht widerstehen konnte. Zögernd gab er ihm nach, aber in dem Augenblick schien es nicht zu wissen, was es mit ihm anfangen sollte. Es vermischte sich mit seiner Verwirrtheit. Es war, als wäre er in einen Kessel mit siedendem Fischeintopf geworfen worden. Zuerst blubberte die eine Identität, dann kam die andere an die Oberfläche, aber nur, um einen Augenblick später wieder zu verschwinden. Er war eine Frau, die ihr langes Haar auskämmte, während sie auf das Wasser hinausstarrte. Er war auch Ephron Vestrit und, bei Sa, er würde seine Fracht sicher nach Hause bringen, Sturm oder nicht Sturm. Er war ein Schiff, unter dessen Bug kaltes Wasser vorbeirauschte. Glänzende Fische schwammen unter ihm vorbei, und über ihm leuchteten die Sterne. Tiefer, höher und weiter lauerte noch ein anderes Bewusstsein, das sie alle umfasste, aber es war hauchdünn wie eine Schellackschicht. Eines, das mit weit gespreizten Schwingen einen Sommerhimmel durchquerte. Dieses Bewusstsein zog ihn stärker an als alle anderen, und als es sich von ihm entfernte, versuchte er, ihm zu folgen.
    Nein, bat ihn jemand. Liebevoll, aber entschlossen. Nein, ich gehe nirgendwo hin und du auch nicht. Etwas zog ihn zurück und hielt ihn fest. Er fühlte sich wie ein Kind, das in den Armen seiner Mutter liegt, geschützt und geliebt. Sie liebte ihn. Er kuschelte sich in ihre Umarmung. Sie war das Schiff, das wunderbare, intelligente Schiff, das er erobert hatte. Diese Erinnerung wirkte wie ein Atemhauch auf die glühenden Kohlen seines Seins. Sie glühten heller, und er wurde sich fast dessen bewusst, was er gewesen war. Das hatte er nicht gewollt. Er rollte sich herüber und grub sich in sie, floss mit ihr zusammen, wurde sie. Das entzückende, hinreißende Schiff, eine Hülle im umhüllenden Wasser, Segel, in einem liebkosenden Wind. Ich bin du, und du bist ich. Wenn ich du bin, bin ich wundersam und weise. Er spürte ihre Belustigung über seine Schmeichelei, dabei meinte er das gar nicht als Kompliment. In dir könnte ich perfekt sein, sagte er ihr. Er versuchte, sich aufzulösen, aber sie hielt ihn intakt.
    Sie sprach wieder, aber ihre Worte schienen

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