Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
für jemand anderen bestimmt zu sein. Ich habe ihn, hier. Du musst ihn nehmen und zurückbringen. Ich weiß nicht, wie das geht.
Die Stimme eines Jungen antwortete. Sie war unsicher und so dünn wie Rauch und kam aus großer Entfernung. Die Furcht ließ ihn plappern. Ich weiß nicht, was du meinst. Wie kannst du ihn haben, wie soll ich ihn nehmen? Wie soll ich ihn zurückholen? Wohin soll ich ihn bringen? Die flehentliche Verzweiflung in der Stimme des Jungen ließ eine Saite in Kennit erklingen. Sie erweckte die Echos einer anderen Jungenstimme, die genauso verzweifelt klang, genauso flehte. Bitte. Das kann ich nicht tun. Ich weiß nicht, wie, ich will nicht. Bitte, Sir. Bitte. Es war eine versteckte Stimme, eine geheime Stimme, die Stimme, die niemals wahrgenommen werden durfte. Niemand durfte sie hören, niemand. Er stürzte sich auf sie, umhüllte sie und brachte sie zum Verstummen. Er sog sie in sich auf, um sie zu verbergen. Die kleine Abweichung, der Schlüssel zu ihm, war wieder aufgehoben. Er schüttelte sich vor Angst, Angst davor, dass sie ihn wieder gezwungen hatten, er selbst zu sein.
Genauso, sagte sie plötzlich. Genauso. Suche seine Stücke, und setze sie zu einem zusammen. Leiser fügte sie hinzu: Es gibt dort Orte, die dir sehr ähnlich sind. Beginn mit diesen.
Was meinst du damit, dass sie mir ähnlich sind? Wie kann er mir ähnlich sein?
Ich habe nur gemeint, dass ihr da zueinander passt. Euch verbindet mehr, als ihr ahnt. Fürchte ihn nicht. Nimm ihn. Setz ihn zusammen.
Er klammerte sich mehr als vorher an das Wesen des Schiffes. Niemals würde er zulassen, von ihr getrennt zu werden. Krampfhaft versuchte er, sich in sie zu weben, sein Bewusstsein mit ihrem zu verflechten, wie ein Tau, das aus verschiedenen Strängen geflochten ist. Sie stieß ihn nicht zurück, aber sie hieß ihn auch nicht willkommen. Stattdessen fühlte er, wie er wieder zusammengesetzt wurde und ihm eine Einheit angeboten wurde, die beides war, Einheit und Trennung.
Hier, nimm ihn, bring ihn zurück.
Die Verbindung zwischen den beiden war verblüffend komplex. Sie liebten sich und versuchten doch angestrengt, nicht so zu sein wie der andere. Der Groll aufeinander brannte wie ein einsames Feuer in ihrer Beziehungslandschaft. Er konnte nicht erkennen, wo der eine aufhörte und der andere begann, und dennoch machte jeder seine Besitzansprüche auf eine Seele geltend, die niemals von einem einzigen Wesen erfasst werden konnte. Die ausgestreckten Schwingen einer uralten Kreatur schützten und überschatteten sie gleichzeitig, aber sie merkten es nicht. Sie waren blinde, komische kleine Geschöpfe, die in einer Liebe miteinander rangen, die sie aus Furcht nicht zugeben mochten. Um zu gewinnen, mussten sie sich nur ergeben, aber das merkten sie nicht. Die Schönheit, was sie zusammen hätten sein können, schmerzte beinahe. Es war eine Liebe, die er sein ganzes Leben lang gesucht hatte, eine Liebe, die ihn wiederhergestellt und vollendet hätte. Das, was er am meisten begehrte, fürchteten und mieden sie.
Kommt zurück, bitte. Es war die flehentliche Stimme des Jungen. Kennit, bitte entscheidet Euch für das Leben.
Der Name war Magie. Er band ihn und verlieh ihm Identität. Der Junge spürte es. Kennit. Er wiederholte den Namen aufmunternd. Kennit, bitte. Kennit. Lebt. Bei jeder Berührung durch das Wort wurde er fester. Erinnerungen rankten sich um den Namen, bildeten Schorf über den alten Wunden seines Lebens und versiegelten ihn darin.
Bitte, flehte er. Er suchte nach dem Namen seines Folterers.
Wintrow. Bitte, lass mich gehen. Wintrow! Er suchte, den Jungen so zu binden, wie er gebunden worden war, indem er seinen Namen aussprach. Doch statt Wintrow seinem Willen zu unterwerfen, machte er den Jungen nur noch selbstsicherer.
Kennit, sagte der Junge eifrig. Kennit. Helft mir. Kommt wieder zu Euch, werdet wieder Ihr selbst. Lebt wieder Euer Leben.
Da passierte etwas Merkwürdiges. Sie vermischten sich, als Wintrow das Bewusstsein Kennits begrüßte und Kennit den Jungen spürte. Erinnerungen brannten und lösten sich von ihren Besitzern. Ein Junge weinte lautlose Tränen in der Nacht, bevor er von seiner Familie in ein Kloster geschickt wurde. Ein Junge sah machtlos zu, wie sein Vater bewusstlos geschlagen wurde, während ein Mann ihn festhielt und lachte. Ein Junge kämpfte und schrie vor Schmerz, als ein siebenzackiger Stern in seine Hüfte tätowiert wurde. Ein Junge meditierte und sah Umrisse von Drachen in den
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