Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Becken schlug plötzlich aufgeregt mit dem Schwanz.
»Mach dir noch nicht zu viel Hoffnung«, ächzte Wintrow. Die Metallstange war schwerer, als er erwartet hatte. Je höher er sie hob, desto länger schien sie zu werden. Er stemmte seine Schulter dagegen, fasste erneut zu und hob sie an. Dann sah er das Ende der Stange. Er zog sie in einen schrägen Winkel und wurde von einem Mörtelschauer aus ihrer oberen Befestigung belohnt. Zwar konnte er die Stange nicht mehr halten, aber sie rutschte nicht in ihr altes Loch zurück, sondern fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Stein. Wintrow schnappte nach Luft, packte die Stange noch einmal und zog das lose Ende zum Eingang der Höhle. Langsam, sehr langsam gab sie nach, und das Metall knirschte protestierend gegen den Stein. Als sich der obere Rand endlich löste, verlor Wintrow das Gleichgewicht und fiel mitsamt Stange hin. Das Metall schlug gegen den Stein und machte ein Geräusch wie ein Hammer auf einem Amboss. Es hallte laut in der engen Höhle wider.
Wintrow stand auf. »Na gut. Das ist die Erste«, sagte er zu der Schlange.
Transparente Lider bedeckten kurz ihre großen, goldenen Augen. Sie hob den Kopf aus dem Wasser und schüttelte ihn. An ihrem Hals schienen plötzlich Sterne zu leuchten. Als sie sich im Wasser drehte, sah Wintrow, dass dieses Muster ihren ganzen Körper bedeckte. Die Farben erinnerten ihn an die Schwanzfedern eines Pfaus. Ob diese Sterne bedeuteten, dass sie wütend war? Vielleicht fühlte sie sich ja von dem, was er tat, bedroht. Möglicherweise glaubte sie, dass er ihr Nest in Gefahr brachte.
»Wenn das nächste Mal die Flut kommt, dann kannst du dich befreien. Wenn du willst.« Er sprach die Worte laut aus, obwohl er wusste, dass es nur Geräusche für sie waren. Vermutlich verstand sie nicht einmal seinen beruhigenden Ton. Er kniete sich hin und machte sich an den nächsten Block.
Diesmal ging es viel schneller. Der Mörtel war schon vor langer Zeit zu Sand geworden. Und er hatte auch den freien Platz, an dem der erste Block gelegen hatte. Deshalb konnte er diesen hier leichter hin und her schieben. Wintrow steckte den Dolch in die Scheide und packte den Stein. Er musste ihn nicht einmal ganz herausziehen. Sobald er ihn zur Seite geschoben hatte, versuchte er, die Stange zu lösen. Die zweite war viel lockerer als die erste, und außerdem hatte er jetzt auch schon Übung. Als Mörtel auf ihn herabregnete, kam es Wintrow plötzlich in den Sinn, ob sich vielleicht jemand darüber ärgerte, was er hier tat. Vielleicht erregte er ja durch den Lärm ihre Aufmerksamkeit.
Als die Stange zu Boden krachte, sprang Wintrow zur Seite, um ihr auszuweichen. Dann ging er zum Eingang der Höhle und spähte hinaus. Es war niemand zu sehen. Aber eine andere Bedrohung nahm er sofort wahr. Die Flut setzte wieder ein, und sie kroch über die Steine heran. Draußen am Horizont zogen Sturmwolken auf. Der Wind schien die Flut noch schneller heranzutreiben. Der Blasentang, der flach auf den Steinen gelegen hatte, schwankte schon auf dem Wasser. Die Flut könnte Wintrow hier einschließen. Und auch wenn das nicht geschah, gab es noch andere Dinge, die wichtig waren: der Strand der Schätze, das Orakel und das Boot, das sie bei Flut zur Viviace zurückbringen sollte.
Kennit war vermutlich wütend auf ihn.
Er stand auf, hielt seinen schmerzenden Arm fest und sah zu, wie die Wellen über den Strand schwappten. Die Flut stieg schnell. Wintrow hatte keinerlei Kontrolle über diesen einen Faktor. Blieb er, saß er vielleicht bald hier in der Falle. Auch so würde er schon nass bis auf die Haut werden, wenn er zum Festland zurückwatete.
Er musste weg. Mehr konnte er nicht mehr tun.
Dann hörte Wintrow ein Geräusch aus dem Inneren der Höhle, als würde eine Metallstange auf Stein rollen. Er runzelte die Stirn und ging zurück. Der Anblick, der sich ihm bot, raubte ihm den Atem.
Sie hatte sich aus dem Becken erhoben und warf sich gegen die Wände ihres Gefängnisses. Ihren Kopf hatte sie seitlich durch die Öffnung gezwängt, die er geschaffen hatte. Ihr verunstalteter, verkrümmter Körper wirkte trotzdem gewaltig, als sie sich gegen die Grenzen des Beckens wuchtete. »Nein, geh zurück!«, schrie er. »Es ist zu eng. Und es ist noch nicht genug Wasser da!« Vergeblich.
Sie konnte ihn nicht verstehen. Das Tier drängte gegen das Gitter, jedoch nur mit dem Erfolg, dass es seinen Kopf noch fester einzwängte. Es schrie entmutigt auf, und die Sterne an seinem
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