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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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explodieren.
    Wintrow wäre beinahe in die Tiefe gestürzt, so hastig trat er von dem Gitter zurück. Das Becken musste erheblich tiefer sein, als es den Anschein hatte, um ein solches Geschöpf aufnehmen zu können. Da es ihn jedoch nur mit seinen riesigen goldenen Augen betrachtete, näherte Wintrow sich wieder vorsichtig dem Gitter. Er umklammerte die Stäbe und starrte das Tier an.
    Die Seeschlange, die in der Höhle gefangen war, war verkümmert, ihr Körper von dem engen Becken gezeichnet. Ihr Kopf war längst nicht so gewaltig wie der der anderen Seeschlangen.
    Und ihr Körper war so gewunden, dass er ihre Größe nicht abschätzen konnte. Sie war blassgrün, wie ein schimmernder Pilz. Anders als die geschuppten Schlangen, die er gesehen hatte, als er an Bord der Viviace gewesen war, wirkte der Körper dieser Kreatur hier plump und weich, wie der eines Erdwurms. Und er wies eine Vielzahl von verschorften Wunden auf, wo sich die Schlange an den felsigen Rändern ihres Gefängnisses gerieben hatte. Plötzlich wurde Wintrow klar, dass sie gewachsen sein musste, wenn sie das Becken jetzt derart ausfüllte. Anscheinend war sie als junges Tier gefangen und eingesperrt worden. Wintrow war sich plötzlich vollkommen sicher, dass diese Höhle hier die einzige Welt war, die diese Seeschlange jemals gesehen hatte. Er sah sich um. Ja. Eine hohe Welle würde gerade über den Rand des Schlots reichen und frisches Salzwasser hineinspülen. Aber auch Nahrung? Wohl kaum. Jemand musste sie füttern.
    Sie wälzte sich in dem engen Becken, das heißt, sie versuchte es. Es gelang ihr kaum, ihren Schwanz von der einen zur anderen Seite zu ringeln. Und selbst dafür musste sie ihren Körper wie einen Korkenzieher zusammenschlingen. Wintrow beobachtete mitfühlend, wie sie Segment um Segment ihres Schlangenkörpers wand und versuchte, die Krümmung erträglicher zu machen. Das gelang jedoch nicht vollkommen. Erwartungsvoll starrte sie ihn an.
    »Also bringt man dir Futter«, bemerkte er. »Aber warum wirst du hier gefangen gehalten? Bist du ein Haustier? Oder eine Sehenswürdigkeit?«
    Die Kreatur neigte den Kopf, als lausche sie fasziniert seinen Worten. Dann tauchte sie ihren immer noch beeindruckenden Schädel ins Wasser, um die Haut zu befeuchten. Und selbst dies war in dem engen Raum eine beträchtliche Anstrengung. Als sie versuchte, ihre Schnauze zu heben, geriet ihr ganzer Körper in Bewegung. Wintrow beobachtete, wie sie sich abmühte. Dabei hob sich ein Teil ihres Körpers aus dem Wasser und schrammte gegen die Steine, die davon offenbar schon glatt gescheuert waren. Sie kreischte, was wie der Ruf eines Raben klang, und riss ihren Kopf wieder aus dem Wasser. Wintrow wurde von Mitleid geradezu überschwemmt. Eine frische Wunde war an der Seite ihres Schädels zu erkennen. Ein zäher, grüner Schleim drang daraus hervor.
    Erneut umfasste er das Eisengitter. Er konnte jeden einzelnen Stab zwar drehen, aber sie waren am oberen und unteren Ende tief in den Stein eingelassen. Wintrow schaffte es nicht, sie aus ihren Sockeln zu heben. Er kniete sich hin, weil er untersuchen wollte, wie sie eingepasst worden waren. Die Antwort befand sich unter seinen Füßen. Er wischte den Sand und die Abfälle des Meeres beiseite und sah die Fugen von gemauerten Steinen. Über ihm waren die Eisenstangen passgenau in den Fels gebohrt worden. Eine leichte Verfärbung ließ den Schluss zu, dass man eine Kerbe in den Stein geschnitten hatte, die dann wieder mit Mörtel gefüllt worden war, um die Stange anschließend zu befestigen. Er stellte es sich vor. Die langen Stangen waren vermutlich in einem spitzen Winkel in die tiefen Löcher gesteckt und dann an ihren Platz gedreht worden. Danach hatte man die Steine davor gemauert, die sie sicherten. Diese Vermutung wurde von einer kurzen Überprüfung der Fugen bestätigt. Wintrow versuchte, jede einzelne Stange anzuheben. Und jede hatte etwas Spiel, einige mehr als andere. Ja. Die Frage war, konnte er die Stangen demontieren, da er nun wusste, wie sie angebracht worden waren?
    Wintrow hatte den Strand der Schätze und Kennit vollkommen vergessen. Er kniete sich auf den Boden der Nische, wischte Sand und Abfälle mit den Händen weg und zog sich das Hemd aus, um den Boden noch gründlicher zu reinigen. Den Dolch, den Etta ihm gegeben hatte, benutzte er jetzt als Werkzeug, um aus den feinen Fugen den Sand und den Mörtel wegzuschaben, der die Steine verband. Die Kreatur beobachtete ihn, während er

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