Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
gern stehen würdest.« Obwohl er sich bemühte, ernst zu bleiben, musste er grinsen. Dieser Anblick trieb ihr Tränen in die Augen. Sie wandte sich schnell ab und sah über das Wasser, damit er es nicht bemerkte. Wie sehr musste er sich nach diesem Moment gesehnt haben - und wie lange?
»Ich hasse dich nicht dafür«, sagte sie ruhig. Es war die Wahrheit. Überrascht stellte sie fest, dass nicht ein Funken Eifersucht in ihrer Seele glomm. Stattdessen freute sie sich über Brashens Triumph. Sie umklammerte die Reling des Paragon . »Du gehörst hierher. So wie er. Nach all den Jahren ist er endlich in guten Händen. Wie könnte ich da eifersüchtig sein?« Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Der Wind zerzauste sein dunkles Haar. Seine Gesichtszüge waren wie gemeißelt und wirkten beinahe wie die einer Galionsfigur. »Ich glaube, mein Vater hätte dir auf die Schulter geklopft und dir gratuliert. Und dich gewarnt, so wie ich es jetzt tue: Wenn ich erst wieder auf dem Deck meiner Viviace stehe, siehst du kein Land gegen uns.« Sie lächelte ihn an, ohne ihre Gefühle zurückzuhalten.
Paragon hatte sie kommen hören und wusste, dass sie über ihn redeten. Klatsch, Klatsch, Klatsch. Sie waren alle gleich. Immer redeten sie lieber über ihn statt mit ihm. Anscheinend hielten sie ihn für verrückt. Vermutlich dachten sie, dass es nichts nützte, wenn sie mit ihm sprachen. Also kam es ihm kein bisschen gemein vor, sie einfach zu belauschen. Jetzt, da wieder Salzwasser um ihn herum floss, konnte er sie deutlicher wahrnehmen. Und er empfing nicht nur ihre Worte klarer, sondern auch ihre Gefühle.
Sein Ärger verrauchte vor Ehrfurcht. Ja, er konnte sie klarer erkennen. Fast so klar wie jemanden aus seiner eigenen Familie. Sehr vorsichtig tastete er nach ihnen. Er wollte nicht, dass sie ihn bemerkten. Noch nicht.
Ihre Gefühle waren stark. Brashen war beinahe schwindlig vor Triumph, und Althea teilte seine Freude. Aber da war noch etwas. Es strömte noch ein anderes Gefühl zwischen ihnen hin und her.
Er konnte es nicht benennen. Es fühlte sich in gewisser Weise so an wie das Salzwasser, das in seine Hexenholzplanken sickerte. Die Dinge nahmen ihren rechtmäßigen Platz wieder ein. Die Leinen, die verworren gewesen waren, kamen wieder frei. Er spürte dieselbe Ausrichtung zwischen Brashen und Althea. Die Spannung, die jetzt zwischen ihnen herrschte, konnten sie beide akzeptieren. Sie diente als Gegengewicht zu der Lockerheit zwischen ihnen. Er versuchte, eine Entsprechung dafür zu finden. Wie Wind in seinen Segeln. Ohne diese Kraft, die gegen das Segeltuch blies, konnte er sich nicht bewegen. Es war keine Spannung, der man ausweichen musste, sondern eine, die sorgsam gepflegt werden wollte.
Taten sie das?
Erst als Brashen sich über die Reling beugte und ihn ansprach, bemerkte Paragon, wie nah sie ihm gekommen waren. Er war sich ihrer so bewusst gewesen, dass ihm nicht aufgefallen war, wie sehr sich der körperliche Abstand verringert hatte. Nun, er würde ihnen nicht antworten.
Dann beugte sich auch Althea über die Reling. Ihre Gefühle durchströmten ihn. Von Brashen zu Althea und von Althea zu Brashen, und sie schlossen ihn mit ein. Der Stolz in Brashens Stimme war nicht vorgetäuscht. »Kapitän Brashen Trell vom Zauberschiff Paragon.« Die Worte hallten durch das Schiff. Brashens Worte waren mit mehr als nur Stolz erfüllt. Mit Zärtlichkeit. Besitzanspruch. Brashen hatte sich danach gesehnt, Anspruch auf ihn zu erheben. Nicht nur wegen der Rettungsaktion oder weil Paragon billig und verkäuflich gewesen war. Er wollte der Kapitän des Lebensschiffes Paragon sein. Und verwundert spürte Paragon, wie in Althea diese Gefühle widerhallten. Sie empfanden beide wirklich, dass er dort war, wohin er gehörte.
Etwas in Paragon öffnete sich, etwas, das lange verschlossen gewesen war. Ein winziger Funke Selbstachtung leuchtete plötzlich hell in der Dunkelheit. »Darauf würde ich nicht wetten, Vestrit«, sagte er ruhig und grinste, als er spürte, wie sie beide erschraken und sich über die Reling beugten, um sein Gesicht zu sehen. Er hatte die Arme immer noch verschränkt, aber er ließ sein bärtiges Kinn selbstzufrieden auf die Brust sinken. »Du glaubst vielleicht, du und die Viviace könnten uns vorführen. Aber Trell und ich, wir haben noch eine Menge in der Hinterhand. Du kennst uns beide bis jetzt nicht einmal zur Hälfte.«
3. Kompromisse
»Ich glaube, so ist es perfekt.« Keffria konnte die
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