Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Gerissenheit. Ihr Vater hätte die ganze Mannschaft gefeuert, davon war sie überzeugt. Als sie sich bei Brashen beschwerte, hatte der nur erwidert, dass sie sofort alle entlassen und durch bessere Männer ihrer Wahl ersetzen könnte. Sie müsste diese Männer nur finden und sie zu der Heuer anstellen, die er ihnen bieten konnte.
Damit war das Gespräch zu Ende gewesen.
»Ich wünschte, wir wären schon auf See«, sagte Brashen ruhig.
»Ich auch«, stimmte Althea ihm zu. Gleichzeitig fürchtete sie sich davor. Die Probeläufe hatten mehr als nur die Schwächen der Mannschaft enthüllt. Sie wusste jetzt auch, dass Paragon noch viel labiler war, als sie erwartet hatte. Sicher, er war ein solide gebautes Schiff. Nachdem Brashen die Ladung so verteilt hatte, wie es dem Schiff gefiel, war es gut gesegelt, aber dennoch ließ sich der Paragon nicht wie ein Zauberschiff bedienen. Althea konnte das akzeptieren, solange er sich nicht direkt gegen die Männer wendete, die auf seinen Decks arbeiteten. Am schwersten zu ertragen war jedoch seine offensichtliche Qual. Jedes Mal, wenn Brashen eine Kursänderung befahl, zuckte die Galionsfigur zusammen. Er löste seine verschränkten Arme und streckte seine zitternden Hände vor sich aus. Dann kreuzte er sie beinahe augenblicklich wieder und verschränkte sie fest vor seiner Brust. Er presste seine Kiefer zusammen, aber seine Furcht durchtränkte das ganze Schiff. Althea bemerkte, wie die Mannschaft darauf reagierte. Die Leute sahen sich gegenseitig an, blickten in die Takelage oder aufs Meer hinaus, als suchten sie die Quelle von Paragons Unbehagen. Sie waren noch zu neu auf dem Schiff, um zu begreifen, dass sie sich von seiner Angst hatten infizieren lassen. Das machte sie jedoch nur empfänglicher für Panik, nicht etwa unempfindlicher. Hätte man ihnen den Grund verraten, wäre alles nur noch schlimmer gewesen. Sie werden lernen, damit umzugehen, sagte sich Althea. Sie werden es bald lernen.
Händler Restate hatte seine Kutsche repariert. Und auch die Polsterung war von Grund auf erneuert worden. Jetzt öffneten und schlossen sich die Türen, wie sie sollten, und auch die Federn quietschten nicht alarmierend, als Malta hineinkletterte. Es sah alles ziemlich sauber aus. Während sie sich durch die belebten Straßen von Bingtown quälten, drang frischer Wind durch das Fenster ins Kutscheninnere. Trotzdem war sich Malta nicht ganz sicher, ob sie nicht doch das tote Schwein roch. Sie tupfte kurz das parfümierte Taschentuch gegen die Nase.
»Geht es dir gut, Liebes?«, fragte ihre Mutter sie bestimmt schon zum zehnten Mal.
»Es geht mir gut. Ich habe nur gestern Abend nicht gut geschlafen.« Sie wandte sich ab und blickte aus dem Fenster, während sie darauf wartete, dass ihre Mutter das Gespräch fortsetzte.
»Nun, es ist ganz natürlich, dass du aufgeregt bist. Unser Schiff sticht heute in See, und bis zum Ball sind es nur noch acht Tage.«
»Ganz natürlich!«, stimmte Davad Restate herzlich zu. Er lächelte sie alle beflissen an. »Ihr werdet schon sehen, meine Lieben. Dieser Ball wird die Wendung für unser aller Vermögen bedeuten.«
»Davon bin ich überzeugt«, stimmte Ronica ihm zu. Doch auf Malta wirkten ihre Worte, als schicke ihre Großmutter ein Stoßgebet zum Himmel, auf dass es wirklich so kommen möge.
»Da sind wir schon!«, verkündete Davad dröhnend, als hätten die anderen das nicht ebenfalls bemerkt. Die Kutsche hielt sanft an. »Nein, bleibt sitzen, bleibt sitzen!«, forderte er sie auf, als Keffria zur Tür griff. »Der Fahrer macht sie auf.«
Der Sklave kam tatsächlich zur Tür der Kutsche, öffnete sie und half ihnen heraus. Als ihm erst Ronica und dann auch Keffria für diese Höflichkeit dankten, wirkte der Mann geradezu verlegen. Er sah Davad an, als erwarte er, getadelt zu werden, doch der Händler achtete nicht darauf, weil er zu sehr damit beschäftigt war, seine Jacke zu glätten. Malta runzelte kurz die Stirn. Entweder hatte Davad in letzter Zeit mehr Geld verdient, oder er ging großzügiger damit um. Die reparierte Kutsche, der geschulte Kutscher, Davads neue Kleidung. Er bereitete sich auf irgendetwas vor. Sie nahm sich vor, den Alten Händler aufmerksam zu beobachten. So unbeholfen sich Davad auch in seinem gesellschaftlichen Umgang benahm, wenn es um Profit ging, verfügte er über einen siebten Sinn. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, seine Absichten auch zum Vorteil ihrer Familie zu nutzen.
Er bot ihrer Großmutter den Arm, und
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