Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
auch nach draußen.« Die Worte hörten sich durch seinen Akzent fremd und abgehackt an. Und eindeutig neugierig.
»Das geht nicht. Seine Gesundheit ist noch zu angeschlagen. Aber ich gehe zu ihm.«
Sie hätte seinen Wunsch ignoriert, wäre da nicht die Furcht gewesen, dass der chalcedeanische Kapitän davon erfahren könnte. Trotz ihrer neu gewonnenen Stärke wagte sie es immer noch nicht, ihm in die Quere zu kommen. Sie war ihm zweimal begegnet, seit er sie zum Satrapen zurückgeschickt hatte. Es beschämte sie, dass sie ihn nicht einmal hatte ansehen können.
Das erste Mal war sie um eine Ecke gebogen und fast gegen ihn geprallt. Beinahe hätte sie sich vor Entsetzen die Hose benässt. Er hatte nur laut gelacht, als sie vor ihm geflohen war. Es war unverständlich, dass sie einen anderen Menschen so fürchten konnte. Wenn sie allein war, versuchte sie manchmal, Wut oder Hass auf ihn zu empfinden. Aber es war sinnlos. Der Kapitän hatte sie mit Entsetzen durchtränkt. Etwas anderes empfand sie für diese Person nicht. Schon bei dem Gedanken an ihn beschleunigte sie ihre Schritte und hastete förmlich zur Kabine des Satrapen.
Den Chalcedeaner an der Tür ignorierte sie. Sie betrat die saubere, aufgeräumte Kammer. Die frische Meeresluft drang durch das offene Fenster herein. Sie nickte zufrieden. Die Diener hatten ihr Abendessen auf dem Tisch zurückgelassen und die Kerzen im Leuchter entzündet. Es gab Fleisch, ein Mus aus gestampften Früchten und dazu ein paar Scheiben ungesäuerten Brotes. Eine Flasche Rotwein und ein Becher standen daneben. Ein einfaches Essen, dachte sie mit Genugtuung, und meinen Wünschen entsprechend zubereitet. Sie würde kein Risiko eingehen. Was auch immer die anderen Höflinge aus der Gesellschaft des Satrapen vergiftet haben mochte, war an der Mannschaft und dem Kapitän des chalcedeanischen Schiffes scheinbar spurlos vorübergegangen. Sie bezweifelte, dass es sich um richtiges Gift handelte, denn sie konnte sich nicht denken, wem das hätte nützen sollen. Wesentlich wahrscheinlicher war, dass einige der Köstlichkeiten schlecht geworden waren, die der Satrap mitgenommen hatte. Vielleicht die eingelegten Eier und Walnüsse oder die Pasteten aus fettem Schweinefleisch.
Auf einem kleineren Tablett stand das Essen für den Satrap. In einer Schüssel mit warmem Wasser waren Brotstücke eingeweicht, und daneben stand eine kleinere Schüssel mit einem Mus aus Zwiebeln und Rüben. Sie würde ihm heute sogar etwas mit Wasser verdünnten Wein erlauben. Vielleicht schnitt sie ihm auch ein bisschen Fleisch in Häppchen zurecht. Sie hatte vor zwei Tagen aufgehört, seine Nahrung mit Brechmitteln zu versetzen. Er durfte nicht zu geschwächt sein, wenn er Bingtown erreichte. Serilla lächelte, als sie sich zu Tisch setzte. Sie war sehr zufrieden mit sich. Er durfte sich kurz erholen, bevor er starb. Als sie eine Scheibe Fleisch auf ihren Teller legte, hörte sie, wie der Satrap sich in seinem Bett rührte.
»Serilla?«, flüsterte er. »Serilla, bist du da?«
Sie hatte die Vorhänge seines Bettes vorgezogen und überlegte jetzt, ob sie ihm antworten sollte. Er war zu schwach, um sich aufzusetzen, und die Vorhänge zurückzuziehen, würde ihn zu viel Kraft kosten. Doch heute war sie gnädig.
»Ich bin hier, Magnadon. Ich bereite Euer Essen zu.«
»Oh, das ist gut.« Er schwieg wieder.
Sie ließ sich Zeit beim Essen, denn sie hatte den Satrapen Geduld gelehrt. Den Dienern war diese Kammer verboten, außer einmal am Tag, wenn sie unter Serillas persönlicher Aufsicht sauber machten. Andere Besucher gestattete sie dem Satrapen nicht. Seine Gesundheit wäre viel zu schwach, hatte sie ihm erzählt. Und sie musste sich nicht einmal sonderlich viel Mühe geben, um seine Angst vor dem Tod auf ein befriedigendes Maß zu steigern. Eine große Zahl seiner Höflinge war schließlich an dieser Krankheit gestorben. Selbst Serilla war bestürzt von dem Blutzoll, den sie gefordert hatte. Sie selbst war jedoch ihrer Meinung nach ziemlich sicher davor. Und dem Satrapen hatte sie erfolgreich eingeredet, dass die Seuche immer noch auf dem Schiff wütete.
Das war nicht schwer gewesen. Je mehr sie seine Nahrung beschränkt und ihn mit Mohnsirup gefüttert hatte, desto lenkbarer war er geworden. Wenn seine Augen geweitet waren und ihr Blick unstet, wurde alles, was sie sagte, für ihn zu einer unumstößlichen Wahrheit. Als sie angefangen hatte, sich um ihn zu kümmern, waren die anderen zu krank gewesen, um
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