Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Männer, als die Bäume ihnen gerade wieder den Blick auf den Hafen verdeckten.
»Das bedeutet überhaupt nichts!«, erwiderte ein anderer verächtlich. »Diese feigen Schweine wollen nur nahe genug herankommen, bevor sie angreifen. Es gibt keinen anderen Grund dafür, dass so viele Schiffe auf einmal in unseren Hafen einlaufen wollen.«
Dem konnte Ronica nur zustimmen. Dann sah sie, wie Malta kläglich lächelte. Sie beugte sich zu dem bleichen Mädchen. »Geht es dir gut?«, fragte sie ruhig, weil sie fürchtete, dass ihre Enkelin kurz davor war, ohnmächtig zu werden.
Malta lachte. Es war ein helles, beinahe hysterisches Lachen. »Es ist so albern. Die ganze Woche habe ich an meinem Kleid genäht und an Reyn gedacht und an die Blumen und das Licht und das Tanzen. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich so unzufrieden mit meinen Schuhen war. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich nichts davon überhaupt jemals erleben werde.« Sie hob den Kopf und ließ ihren Blick über den Strom von Wagen, Kutschen, Reitern und Fußgängern gleiten, in dem sie mitschwammen. Als sie weiterredete, tönte ruhiger Fatalismus aus ihrer Stimme. »Alle Dinge in meinem Leben, die ich ganz sicher tun wollte, wurden mir entrissen, während sie fast in Reichweite waren. Vielleicht passiert es ja jetzt wieder.« Ein abwesender Ausdruck trat in ihre Augen. »Vielleicht sind wir morgen alle tot, und unsere Stadt ist nur noch eine qualmende Ruine. Vielleicht wird meine Präsentation niemals wirklich stattfinden.«
»Sag nicht solche Dinge!«, rief Keffria entsetzt.
Ronica schwieg eine Weile. Dann legte sie ihre Hand auf die von Malta, mit der diese sich an der Kutschenwand abstützte. »Heute ist heute. Und das hier ist dein Leben.« Es waren keine tröstlichen Worte, und sie wusste nicht einmal genau, woher sie eigentlich kamen. »Und das hier ist auch mein Leben«, fuhr sie fort und sah dann nach vorn, auf die gewundene Straße, die nach Bingtown führte.
Reyn stand am Heck des Kendry und beobachtete das Kielwasser des großen Zauberschiffes in dem breiten Fluss. Der Morgen verwandelte das milchige Wasser des Flusses in Silber und ließ von dem ständig tröpfelnden Blätterdach der bewaldeten Ufer einen schimmernden Vorhang aus Perlen herabfallen. Die Stärke der Strömung und die großen Segel trugen das Schiff unglaublich schnell flussaufwärts. Reyn holte tief Luft, um die Schwere zu lindern, die ihn niederdrückte. Aber es funktionierte nicht. Er senkte den Kopf und hob die Hände unter den Schleier. Dann rieb er sich seine verklebten Augen. Ein tiefer, erholsamer Schlaf war für ihn so fern wie ein Märchen aus seiner Kindheit. Ob er jemals wieder gut schlafen würde?
»Ihr seht so aus, wie ich mich fühle«, sagte jemand ruhig. Reyn schrak zusammen und drehte sich um. In dem Dämmerlicht des Morgens hatte er den anderen Mann nicht bemerkt. Grag Tenira rollte ein winziges Pergament zusammen und schob es in den Ärmel seines Gewandes. »Aber das sollte eigentlich nicht so sein«, fuhr er fort und runzelte die Stirn. »Seid Ihr nicht Malta Vestrits Begleiter auf dem Sommerball? Was gibt es da zu seufzen?«
»Sehr wenig«, versicherte ihm Reyn und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich teile nur ihre Sorge um ihren Vater und ihr verschwundenes Schiff. Das ist alles, doch es ist eine sehr schwerwiegende Sorge. Ich hatte gehofft, dass ihre Präsentation auf dem Ball ein ungetrübtes Fest für sie werden würde. Jetzt jedoch fürchte ich, dass diese Ereignisse es überschatten.«
»Wenn es Euch tröstet. Der Kendry hat mich benachrichtigt, dass die Rettungsexpedition Bingtown bereits verlassen hat.«
»Aha. Ich habe Euren Namen schon im Zusammenhang mit Althea Vestrit gehört. Also kommt diese Nachricht direkt von ihr?« Reyn deutete mit einem Nicken auf die Epistel, von der immer noch eine Ecke aus Grags Ärmel hervorlugte.
Grag seufzte. »Es ist ein Abschiedsbrief von ihr, geschrieben, bevor sie in See gestochen ist. Sie setzt große Hoffnungen auf diese Expedition, aber keine auf uns. Es ist ein sehr, freundlicher Brief.«
»Ah. Manchmal ist Freundlichkeit grausamer als Kälte.«
»Genau.« Grag rieb sich die Stirn. »Die Vestrits sind eine sehr halsstarrige Familie. Und die Frauen sind unabhängiger, als ihnen gut tut. Das hat man jedenfalls immer über Ronica Vestrit gesagt. Ich musste auf eine harte Art lernen, dass dasselbe auch auf Althea zutrifft.« Er grinste Reyn gequält an. »Hoffen wir, dass Ihr mehr Glück
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