Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
seiner Gegenwart beunruhigt waren, aber keines war so grob gewesen, ihm das Recht streitig zu machen, hier zu ankern.
»Meine Herren, ich danke Euch«, erwiderte Brashen. Seine Stimme klang so sarkastisch, dass Keffria sich fragte, ob er gerade dieselben Gedanken hegte.
Sie gingen nicht wieder an Bord des Schiffs, sondern verabschiedeten sich auf der Pier. Ronica war gefühliger, als Keffria es vermutet hätte. Immer wieder ermahnte sie Althea, aufzupassen und ja gesund und munter nach Hause zurückzukehren. Althea runzelte finster die Stirn, als Brashen versprach, so gut wie möglich auf sie aufzupassen. Als Keffria ihre Schwester zum Abschied umarmte, wünschte sie sich, dass die Dinge zwischen ihnen anders lägen. Ihr Herz war so voll widerstreitender Konflikte, dass sie ihr kaum auf Wiedersehen sagen konnte.
Und es irritierte sie noch mehr, dass sie mit ansehen musste, wie Amber Maltas Finger zwischen ihre beiden behandschuhten Hände genommen hatte. »Passt gut auf Euch auf«, sagte die Fremde zu ihr. Ihr Blick war entschieden zu eindringlich.
»Das werde ich«, versprach Malta. Sie redeten fast so, als wäre es Malta, die ins Ungewisse davonsegelte. Keffria sah zu, wie Amber sich von ihrer Tochter abwandte und über die Laufplanke auf das Schiff ging. Einen Augenblick später erschien die Perlenmacherin wieder auf dem Vordeck neben der Galionsfigur. Sie beugte sich herunter und sagte etwas zu ihr. Die geschnitzte Gestalt ließ die Hände von ihrem Gesicht sinken. Paragon hob den Kopf, holte tief Luft, so dass sich seine mächtige Brust wölbte, und verschränkte die Arme fest davor. Seine Miene verriet eiserne Entschlossenheit.
Die Leinen wurden losgemacht, und die letzten Lebewohls und guten Wünsche wurden ausgetauscht. Die Mannschaften der kleinen Ruderboote legten sich in die Riemen und zogen den Paragon allmählich von der Pier weg in das Hafenbecken. Althea und Brashen traten zu Amber auf das Vordeck. Sie beugten sich nacheinander hinunter und sagten etwas zu ihm, aber Keffria konnte nicht sehen, ob er darauf reagierte. Sie wandte den Blick von dem Spektakel ab und sah, dass Malta dem Schiff gebannt hinterher schaute. Keffria wusste nicht, ob die Miene ihrer Tochter Entsetzen oder Liebe wider spiegelte. Und ich weiß auch nicht, dachte sie gereizt, ob sie die Galionsfigur oder Amber anstarrt.
Malta schnappte nach Luft, und Keffria sah sofort wieder zum Schiff. Die kleinen Boote fingen die Leinen auf, die ihnen vom Paragon zugeworfen wurden. Brashen bedankte sich, als die Segel sich aufblähten. Trotz der Matrosen, die geschäftig hin und her eilten, war es ein wirklich anmutiger Anblick. Während Keffria es beobachtete, breitete die Galionsfigur plötzlich weit die Arme aus, als wollte sie den Horizont umarmen. Er schrie etwas, und der Wind wehte seine Worte zu ihnen herüber. »Ich fliege wieder!« Es war eine trotzige Herausforderung an die Welt. Paragons Segel wurden vom Wind gebläht, und er bewegte sich jetzt aus eigener Kraft. Von seinen Decks drang ein schwaches Jubelgeschrei bis zu ihnen. Keffria traten Tränen in die Augen.
»Möge Sa dich vorantreiben«, flüsterte Malta.
Keffria hörte die leisen Worte ihrer Tochter. »Möge Sa dich vorantreiben und dich sicher wieder nach Hause bringen«, sagte sie laut. Doch der Wind wehte ihr kleines Gebet davon.
6. Auflauf in Bingtown
Die Flotte, die sie eskortierte, war immer größer geworden. Es dürfte interessant sein herauszufinden, wie man es arrangiert hat, dass die anderen Schiffe uns auf dieser Strecke treffen konnten, dachte Serilla. Wie lange war das alles schon geplant gewesen? Wusste irgendjemand in Jamaillia-Stadt von dieser Streitmacht, die den Satrapen auf seinem Besuch in Bingtown begleitete? Mittlerweile war Serilla so gut wie sicher, dass der Satrap geopfert werden sollte, um einen chalcedeanischen Angriff gegen Bingtown zu rechtfertigen. Sie hütete dieses Wissen wie ein Goldstück. Wenn sie die Alten Händler warnen konnte, war das der sicherste Weg, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Falls sie überhaupt noch zur Loyalität fähig war, dann gehörte sie ausschließlich dem merkwürdigen Ort, dessen Geschichte sie schon seit so vielen Jahren studiert hatte. Serilla blickte hoch und starrte in die Nacht hinaus. Am Horizont schimmerte es leicht: Die Lichter des Nachtmarkts erhellten den sternenüb er säten Himmel. Morgen früh würden sie in Bingtown ankommen.
Ein Matrose trat hinter sie. »Der Satrap schickt nach Euch. Er will
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