Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ihn zu besuchen, ganz zu schweigen davon, ihr etwa Einhalt gebieten zu können. Und nachdem sie sich erholt hatten, war es Serilla erfolgreich gelungen, sie bereits an der Tür abzuschmettern. Der Satrap wollte nicht gestört werden. Mit dieser stets wiederholten Floskel hatte Serilla die geräumige Kabine für sich selbst in Beschlag genommen. Bis auf das Bett, in dem der Satrap ruhte. Sie hatte es ziemlich gemütlich.
    Nachdem Serilla zu Ende gegessen und ein Glas Wein getrunken hatte, trug sie das Tablett zum Bett des Satrapen. Sie zog die Bettvorhänge zurück und betrachtete den Mann kritisch. Vielleicht war sie doch ein wenig zu weit gegangen. Seine Haut schimmerte blässlich gelb, und sein Gesicht war schrecklich eingefallen. Die knochigen Hände, die auf der Decke lagen, zuckten gelegentlich. Das war jedoch nichts Neues, sondern eine Folge seiner langjährigen Drogensucht. Nur aufgrund ihrer Schwäche sahen sie aus wie sterbende Spinnen, sagte sie sich.
    Sie setzte sich vorsichtig auf den Bettrand und stellte das Tablett auf einen niedrigen Tisch. Lächelnd strich sie sein Haar zurück. »Ihr seht schon viel besser aus«, sagte sie und tätschelte beruhigend seine Hand. »Sollen wir Euch füttern?«
    »Bitte«, erwiderte er und lächelte sie zärtlich an. Er war überzeugt, dass Serilla die Einzige war, die ihm noch zur Seite stand, die Einzige, auf die er sich verlassen konnte. Sie zuckte zusammen, als er den Mund öffnete und sie seinen stinkenden Atem roch. Erst gestern hatte er sich darüber beschwert, dass sich einige Zähne gelockert hatten. Vermutlich würde er sich noch schnell genug erholen. Vielleicht jedoch auch nicht. Er musste nur einfach so lange leben, dass er sie in Bingtown an Land bringen und sie den Händlern vorstellen konnte. Sie wollte ihn nicht so stark machen, dass er ihrem Bericht vielleicht widersprechen konnte. Und sollte er etwas Unvorteilhaftes sagen, würde sie es seiner labilen geistigen Verfassung zuschreiben.
    Ein bisschen Brei rann ihm aus dem Mund. Sie schlang ihren Arm um seine Schultern und half ihm, sich aufzurichten. »Ist das nicht gut?«, ermunterte sie ihn, während sie etwas von dem aufgeweichten Brot auf den Löffel füllte. »Und morgen sind wir in Bingtown. Ist das nicht schön?«
    Ronica Vestrit konnte sich nicht daran erinnern, wann die Große Glocke die Händler das letzte Mal zu einem Notfall zusammengerufen hatte. Der Himmel über der Halle der Händler war noch grau. Ronica und ihre Familie waren zu Fuß den Hügel von ihrem Haus hinuntergeeilt, aber Händler Shuyev hatte sie in seiner Kutsche mitgenommen. Vor der Halle standen die Leute in Gruppen herum und riefen sich gegenseitig Fragen zu. Wer hatte die Glocke geläutet? Aus welchem Grund versammelten sie sich hier? Einige der Händler trugen noch ihre Morgenmäntel, über die sie hastig leichte Umhänge geworfen hatten. Die Augen von anderen, die noch Abendkleidung trugen, waren gerötet von Schlafmangel. Alle waren hastig herbeigeeilt, als die Glocke ihre ernste Warnung geläutet hatte. Manche trugen Waffen und hatten Schwerter umgeschnallt. Kinder klammerten sich an ihre Eltern, junge Söhne versuchten vergeblich, mutig dreinzublicken, aber in vielen Gesichtern zeichneten sich die Spuren von Tränen und Panik ab. Die Menge aus besorgten Menschen wirkte seltsam unpassend neben den großen Pflanzkübeln mit blühenden Blumen und den mit Girlanden geschmückten Bögen und mit Bändern verzierten Treppen der Halle. Die festliche Dekoration des Saals für den Sommerball schien sie fast zu verhöhnen.
    »Es ist die Blutpest«, erklärte jemand am Rand der Gruppe. »Die Blutpest ist wieder über Bingtown gekommen. Es kann nichts anderes sein.«
    Ronica hörte, wie sich das Gerücht wie ein Lauffeuer unter den Versammelten verbreitete. Das Murmeln steigerte sich zu einem beinahe panischen Gebrüll. Dann jedoch erschien Händler Larfa auf der Treppe und bat lautstark um Ruhe. Er war der Eigner des Lebensschiffes Winsor , ein Mann, der gewöhnlich so unerschütterlich war, dass er beinahe langweilig wirkte. An diesem Morgen jedoch waren seine Wangen vor Aufregung gerötet. Sein Haar stand ihm förmlich zu Berge. »Ich habe die Glocke geläutet! «, verkündete er. »Hört mir zu, ihr alle! Wir haben nicht mehr genug Zeit, in die Halle zu gehen und uns ordentlich zu versammeln. Ich habe bereits alle Lebensschiffe im Hafen benachrichtigt, und sie sind ausgelaufen, um sie gebührend zu empfangen! Eindringlinge!

Weitere Kostenlose Bücher