Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
ihre Haltung. Sie gingen unmerklich auf Abstand zu ihren Gefährten und schienen eher zuhören zu wollen, als zu drohen. Boj allerdings gehörte nicht dazu. Er und noch fünf andere Männer blieben wütend vor Kennit stehen und umklammerten ihre Waffen. Das Zögern der anderen Überlebenden schien Bojs Ärger nur umso mehr anzustacheln. Der junge Mann an seiner Seite war vermutlich sein Sohn. Boj atmete schneller, während er vergeblich nach Worten suchte, die verletzend genug waren. »Du hast Unrecht!« schrie er plötzlich. »Es ist seine Schuld! Seine Schuld! Er hat uns das angetan!« Seine Stimme kippte, und er schrie nur noch unartikuliert, als er seinen Knüppel schwang und vorwärts sprang. Die Männer hinter ihm drängten sofort mit ihm zusammen vor.
Bojs Knüppel fegte über die Stelle, wo vor einem Augenblick noch Wintrows Kopf gewesen war. Der Junge hatte sich geduckt, aber nicht tief genug. Kennit sah, wie der Schlag den Kopf des Jungen zur Seite riss. Er erwartete, dass Wintrow zu Boden gehen würde, stemmte die Krücke in den Schlamm und hob das Messer, um sich zu verteidigen. Ein junger Schläger ging auf Etta los. Sie würde ihm nicht helfen können.
Als Kennit seine Klinge hob, sprang Wintrow plötzlich zwischen ihm und Boj hoch. Wie ein junger Baum, der zwar zu einer Seite gebogen, aber nicht gebrochen war, federte der Junge wieder zurück. Bojs Schreck zeichnete sich deutlich auf seinem Gesicht ab, aber der Narr hatte seinen Knüppel bereits wieder zurückgezogen, um den tödlichen Schlag gegen Kennit führen zu können. Seine Brust war ungedeckt. Zweifellos war der Tavernenwirt daran gewöhnt, einen Tresen zwischen sich und seinem Opfer zu haben. Wintrows Messer grub sich in den Leib des Mannes, durchdrang den Stoff seiner Weste und seines Hemdes und bohrte sich in seinen Bauch. Wintrow schrie, als er zustieß. Es war ein Schrei des Entsetzens und des Hasses. Boj brüllte auf; er war verletzt, aber noch längst nicht tot.
Jetzt wurde überall gekämpft. Kennit hörte, wie Sorcor Flüche ausstieß, um seine Männer anzufeuern, während sie sich ihren Weg durch den Mob zu Kennit bahnten. Er hörte die Schreie der Frauen und wusste, dass viele Leute den Kampf scheuten. Alles schien auf einmal zu geschehen, und dennoch hatte Kennit das Gefühl, selbst in einer Insel der Ruhe zu stehen. Etta wälzte sich mit ihrem Widersacher im Schlamm, schrie, stach und rang. Kennit nahm wie durch einen Schleier die anderen Kämpfe um sich herum wahr. Er hörte laute Rufe vom Wasser her. Vermutlich stammten sie von seinen Leuten in den Booten, die ihre Wut darüber hinausschrieen, dass sie das Land immer noch nicht erreicht hatten. Hinter ihm wälzten sich zwei Männer im Schlamm. Der eine traf mit dem Fuß seine Krücke. Kennit stolperte einen halben Schritt tiefer in den Schlamm. Bojs Keule traf Wintrows Schulter, während der Junge sein Messer aus dem Wirt herausriss und es ihm erneut in die Brust rammte. Kennit hörte den dumpfen Aufprall, als die Keule den Knochen traf, und anschließend Wintrows schmerzerfüllten Aufschrei. Er stolperte, verlor die Balance, klammerte sich unwillkürlich an Boj fest und benutzte sein eigenes Messer. Seine Krücke war weg, sein Holzbein versank im Schlamm, und er selbst sank auf die Seite. Deshalb verfehlte ihn Bojs letzter Schlag mit der Keule um Haaresbreite. Kennit stürzte auf Wintrow, und dann brach Boj über ihnen zusammen wie ein gefällter Baum. Das Gewicht des Tavernenbesitzers drückte Kennit tief in den feucht glänzenden Schlamm.
Allein diese Würdelosigkeit setzte mehr Energie in Kennit frei, als seine Wut es vermocht hätte. Mit einem lauten Schrei schleuderte er den erheblich schwereren Mann von sich herunter. Ein kurzer Schnitt mit dem Messer durch Bojs Kehle ließ keinen Zweifel mehr offen. Kennit stützte sich auf sein Knie und sah, wie Etta rücklings im Schlamm lag. Sie umklammerte mit beiden Händen das Handgelenk eines kräftigen Mannes, der versuchte, sie zu erdolchen, während er sie gleichzeitig würgte. Kennit rammte ihm fast beiläufig sein Messer in die Seite. Der Mann schrie auf und verkrampfte sich vor Schmerz. Etta nutzte den Moment, drehte das Messer des Mannes um und rammte es ihm in den Unterleib. Gleichzeitig rollte sie sich unter ihm heraus und kam wieder auf die Füße. »Kennit! Kennit!«, schrie sie. Sie war schmutzig, krabbelte durch den Dreck auf ihn zu und stellte sich mit dem Messer in der Hand beschützend über ihn. Es war einfach
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