Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
hörte wie aus weiter Ferne, dass Viviace etwas schrie. Sie konnte anscheinend sehen, was vorging, aber das Schiff war nicht in der Lage, ihm zu helfen. Bis sie ein anderes Boot zu Wasser gelassen und mehr Männer an Land geschickt hatten, war es schon vorbei. Er richtete sich auf und wartete.
Die Menge wogte auf ihn zu und umkreiste ihn dann bedrohlich. Die Männer hinter Kennit drehten sich um. Sie standen Rücken an Rücken. Die Spannung hing beinahe spürbar in der Luft. Doch obwohl sie sich jetzt einer bewaffneten Gruppe höchst entschlossener Männer gegenüb ersahen, schien keiner aus dem Mob der Erste sein zu wollen, der angriff. Kennit erinnerte sich jetzt wieder an den rotgesichtigen Mann, der direkt vor ihm stand. Es war ein Tavernenbesitzer. Boj hieß der Kerl. Er trug einen Knüppel, mit dem er viel sagend gegen sein Bein klopfte, aber er hielt sich vorsichtshalber außerhalb der Reichweite des Jungen. Die anderen blieben stehen und warteten darauf, dass er angriff. Kennit vermutete, dass Boj seine Rolle als Anführer dieser Bande nicht sonderlich behagte. Mit einem kurzen Seitenblick überzeugte er sich davon, dass Sorcor mit seinen Leuten von der Marietta in die Flanke der Meute vorrückte. Das Mädchen war verschwunden. Kennit hatte keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wohin sie gebracht worden war. Die beiden Männer sahen sich an. Kennit musste Sorcor nicht erst ein Zeichen geben. Er würde nichts tun, bis es unausweichlich war. Doch dann würde er sich so schnell wie möglich bis zu Kennit durchschlagen.
Boj warf einen misstrauischen Blick zurück auf seine Kumpane und grinste dann zufrieden diejenigen an, die den Piraten umzingelt hatten. Nachdem er sicher war, dass er genug Verstärkung hatte, stellte er sich Kennit. Er musste über Wintrows Kopf hinwegblicken, um dem Piraten in die Augen sehen zu können. »Es ist sehr wohl deine Schuld, du schmieriger Mistkerl! Du hast die Sache ins Rollen gebracht, weil du Sklavenschiffe gekapert hast. Du musstest natürlich übertreiben und konntest dich nicht damit zufrieden geben, einfach nur gut zu leben. Du und dein Geschwätz davon, König zu werden! Ein Schiff hier, ein Schiff da, das hat den Jungen mit der Krone in Jamaillia-Stadt nicht weiter gekümmert. Bis du gekommen bist. Der Satrap hat uns in Ruhe gelassen, bis du direkt in seine Tasche gegriffen hast. Und jetzt sieh dir an, was du uns angetan hast! Wir haben nichts mehr. Wir müssen einen neuen Ort suchen und dort von vorn anfangen. Wir werden nie mehr ein so gutes Versteck finden, wie Divvytown es gewesen ist! Wir waren hier sicher, und du hast es zerstört! Die Plünderer haben hier vor allem nach dir gesucht!« Er ließ den Knüppel unvermittelt in seine Handfläche sausen. »Du schuldest uns etwas, so sehen wir die Sache. Was du an Beute auf dem Schiff mit dir führst, nehmen wir uns, damit wir uns ein neues Versteck suchen können. Du kannst jetzt wählen, wie wir es uns beschaffen. Wenn du damit nicht einverstanden bist, nun.« Er ließ die Keule erneut durch die Luft sausen. Kennit zuckte mit keiner Wimper.
Mittlerweile waren noch mehr Menschen zwischen den Bäumen hervorgetreten. Offenbar gab es erheblich mehr Überlebende, als er angenommen hatte. Dennoch war diese Konfrontation vollkommen albern. Selbst wenn sie ihn hier am Strand töteten und alle seine Männer auslöschten, konnten sie doch nicht allen Ernstes erwarten, die beiden Schiffe zu erbeuten. Die Piraten würden einfach wegsegeln. Es war dumm; aber schließlich war ein Mob immer dumm. Und tödlich. Kennit grinste unwillkürlich, während er seine Worte sorgfältig abwog.
»Verstecken? Ist das alles, was ihr könnt?«
Der Klang von Wintrows Stimme überrumpelte Kennit. Sie klang laut und deutlich, wie die eines Barden, und sie troff geradezu vor Verachtung. Kennit merkte, dass es nicht nur die Männer vor ihm, sondern auch diejenigen erreichen sollte, die aus dem Dschungel schlichen. Wintrow hielt das Messer immer noch stoßbereit. Wo hatte er das nur gelernt? Aber der Junge hatte anscheinend andere Absichten, als die Meute anzugreifen.
»Halt's Maul, Bursche. Für Gerede haben wir keine Zeit!« Boj wog drohend den Knüppel in der Hand und musterte Kennit über Wintrows Kopf hinweg. »Also, König Kennit? Geht es auf die leichte Weise oder.?«
»Natürlich hast du keine Zeit fürs Reden!« Wintrows Stimme übertönte Bojs Bass mit Leichtigkeit. »Reden setzt schließlich Hirn voraus, nicht nur Muskeln. Niemand
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