Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
hier hatte Zeit fürs Reden, nicht einmal dann, als es euch das Leben gerettet hätte.
Kennit hat versucht, es euch zu zeigen. Ihr könnt euch nicht vor dem verstecken, was außerhalb eurer kleinen Welt vorgeht. Früher oder später holt euch der Rest der Welt ein. Kennit hat versucht, euch zu warnen. Er hat euch geraten, die Stadt zu befestigen, aber ihr wolltet nicht hören. Er hat euch Sklaven gebracht und sie freigelassen, aber ihr wolltet sie nicht ansehen und euch selbst wieder erkennen! Nein, stattdessen vergrabt ihr euch lieber hier im Schlamm wie irgendwelche Müll fressenden Krabben und vertraut darauf, dass die Welt euch niemals bemerken wird! So funktioniert das aber nicht. Wenn ihr jetzt auf Kennit hört, könnt ihr herausfinden, wie ihr wieder zu freien Menschen werdet! Ich habe die Skizzen in seiner Kajüte gesehen! Der Hafen könnte befestigt werden. Divvytown könnte Stellung beziehen. Ihr könntet diesen stinkenden Sumpf ausbaggern, den ihr Hafen nennt, und einen Platz auf den Seekarten der Handelsschifffahrt in Anspruch nehmen! Ihr müsst dafür nur aufstehen und sagen: Wir sind Menschen, keine Handvoll Gesetzloser und jamaillianischer Ausgestoßener! Wählt euch einen Anführer und steht für euch ein. Aber nein! Ihr wollt nichts weiter, als noch mehr Blut vergießen, noch mehr Menschen umbringen und euch dann unter einem anderen Stein verkriechen, bis die Plünderer des Satrapen euch erneut ausgraben!«
Dem Jungen ging die Luft aus. Kennit hoffte, dass die anderen nicht sahen, wie stark Wintrow zitterte. Er senkte die Stimme, als wären seine Worte nur an Wintrow gerichtet, aber er wusste, dass sie trotzdem weit trug. »Gib auf, Sohn. Sie wollten nicht auf mich hören, und sie werden auch nicht auf dich hören. Sie wissen es einfach nicht besser. Kämpfen und verstecken, mehr können sie nicht. Ich habe getan, was ich konnte, um ihnen beizubringen, wie man als freier Mensch lebt.« Er zuckte lässig mit einer Schulter. »Doch sie werden das tun, was sie sich in den Kopf gesetzt haben.« Er hob den Blick und ließ ihn über die Menge gleiten. Einige der tätowierten Gesichter kamen ihm vage bekannt vor. Es waren Sklaven, die er als freie Männer hierher gebracht hatte. Und einer nach dem anderen schlug vor seinem Blick die Augen nieder. Ein Sklave, der anscheinend mutiger war als der Rest, trat von dem Mob weg.
»Ich stehe zu Kennit!«, sagte er schlicht und überquerte mit einem Schritt den Abstand zu Sorcors Seeleuten. Ein halbes Dutzend anderer Männer folgte wortlos seinem Beispiel. Der Mob wurde unruhig, als ihre Zahl zusehends schmolz. Einige von den Leuten, die aus dem Dschungel gekommen waren, hielten sich von beiden Gruppen fern. Anscheinend zögerten sie, Partei zu ergreifen. Auf einmal schien nichts mehr so eindeutig wie noch wenige Sekunden zuvor.
»Carum! Jerod!«, ertönte plötzlich eine Frauenstimme. »Schämt euch. Ihr wisst, dass er Recht hat! Ihr wisst es ganz genau!« Es war die Stimme von Alyssum. Das junge Mädchen stand im Beiboot der Marietta . Anscheinend hatte Sorcor sie irgendwie dorthin in Sicherheit gebracht. Anklagend deutete sie auf die jungen Männer, die sie ansprach. »Vahor! Kolp! Ihr habt Lily und mich verspottet und behauptet, Vater hätte ihre Hand einem Verrückten und meine seinem Ersten Maat angeboten. Und was hat meine Mutter Euch erzählt? Dass die beiden Männer sind, die ein klares Bild von der Zukunft haben! Männer, die versuchten, mehr aus uns zu machen als nur ein Dorf am Rande des Nichts! Und jetzt ist sie tot! Tot! Und nicht Kennit war es, der sie getötet hat! Sondern unsere eigene Dummheit! Wir haben nicht auf ihn gehört. Wir hätten einen König gebraucht, der uns beschützt, aber wir haben sein Angebot höhnisch ausgeschlagen!«
Kennits Hemd klebte an seinem schweißnassen Rücken. Mittlerweile waren sowohl von der Viviace als auch von der Marietta Beiboote mit weiteren Männern zu Wasser gelassen worden. Wenn er sie noch ein bisschen länger davon abhalten konnte anzugreifen, dann standen bald genug Männer hinter ihm, um das Schicksal zu seinen Gunsten zu wenden. Vermutlich würde er trotzdem sterben. Der Junge vor ihm und die Frau an seiner Seite würden höchstens einen oder zwei ihrer Widersacher aufhalten können. Dann würde er sterben, sobald sie sich auf ihn stürzten und er von dem Felsbrocken heruntertreten musste, auf den er sein Holzbein stützen konnte. Er würde sterben.
Einige der Leute am Rand der Meute veränderten
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