Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Gastgeber auch noch gewillt, ihn mit dem besten Essen zu verwöhnen und ihn mit ständiger Unterhaltung zu verhätscheln.
Cosgos wiederhergestellte Vitalität hatte Serillas Pläne nachhaltig durchkreuzt. Sie musste ihre Haltung schnellstens der neuen Lage anpassen. Die Schriftrolle, die Cosgo unterschrieben hatte, ruhte sicher verknotet im Ärmel eines ihrer Gewänder. Sie hatte ihre Existenz nicht mehr zur Sprache gebracht, nachdem sie sie das erste Mal auf dem Schiff gezeigt hatte. Als ein Händler sie danach fragte, hatte sie gelächelt und ihm versichert, dass sie nicht mehr gebraucht würde, da Cosgo jetzt ja wieder gesund sei. Cosgo selbst schien sich nicht daran erinnern zu können, dass dieses Schriftstück überhaupt existierte. Eine besondere Versammlung des Bingtowner Händlerkonzils war anberaumt worden. Serilla hoffte, dass sie vorher noch eine Gelegenheit fand, die Machtverhältnisse erneut zu ihren Gunsten zu verschieben. Bis dahin konnte sie nur abwarten.
Die Gefährtin des Herzens blickte aus dem Fenster der Kammer, die Händler Restate ihr zugewiesen hatte. Du befindest dich wirklich in der Provinz, dachte sie. Der Garten unter ihr wirkte verwildert und fast dschungelartig. Die Kammer war zwar groß, aber altmodisch eingerichtet. Außerdem roch sie muffig. Offenbar war der Raum niemals benutzt worden. Das Bettzeug duftete nach Zedern und Lagerkräutern, und die Vorhänge waren in einem Stil geschnitten, den ihre Großmutter zweifellos wieder erkannt hätte. Das Bett war ungemütlich hoch. Vermutlich war es so gebaut worden, um den Schläfer vor Ratten und Mäusen zu schützen. Der Nachttopf stand direkt unter dem Bett, statt in einer abgetrennten Nische. Die Dienstmädchen brachten ihr nur zweimal am Tag warmes Wasser, und es befanden sich auch keine frischen Blumen in ihrem Zimmer. Der Haushalt bot für alle Gefährtinnen nur eine einzige Kammerzofe, und dieses arme Mädchen wurde von Beginn an von Kekki in Trab gehalten. Serilla musste sich selbst um ihre Bedürfnisse kümmern. Im Augenblick passte ihr das auch ganz gut. Ihr lag nichts daran, einem Fremden Zugang zu den Dingen zu gewähren, die sie in ihrem Zimmer versteckte.
Außerdem waren es auch nicht solche Äußerlichkeiten, die sie faszinierten, als sie sich für Bingtown als Fachgebiet entschieden hatte. Diese Pionierstadt hatte es geschafft zu überleben. Alle anderen Versuche, die Verwunschenen Ufer zu besiedeln, waren kläglich fehlgeschlagen. Und in all den Unterlagen, die sie über Bingtown gelesen hatte, war darüber nichts zu ihrer Zufriedenheit erklärt worden. Warum hatte die Stadt überlebt und war aufgeblüht? Was hatte sie von all den anderen tragischen Vorfällen verschont? Waren es die Leute gewesen, der Ort oder reines Glück? Hier verbarg sich ein Geheimnis, das sie unbedingt ergründen musste.
Bingtown war die größte Siedlung an den Verwunschenen Ufern. Die Stadt war von einem Netzwerk aus Dörfern und Bauernhöfen umgeben, aber trotz all der Jahre, die sie schon existierte, war sie nicht so groß geworden, wie man hätte erwarten können. Die Bevölkerung wuchs einfach nicht. Selbst der Einfluss der Drei-Schiffe-Immigranten hatte ihre Zahl nur kurzfristig anwachsen lassen. Die Familien waren klein und hatten selten mehr als drei oder vier Kinder. Die Welle der Neuen Händler drohte die Alten Bingtown-Händler allein schon zahlenmäßig zu verdrängen, ganz zu schweigen von den Sklaven, die diese Neuankömmlinge mitgebracht hatten. Dieser Zuwachs war alles andere als willkommen. Bingtown widerstrebte die Vorstellung, sich auf die Landschaft um die Stadt herum auszudehnen. Als Grund führte man meist an, dass der Boden zu sumpfig sei und sich das, was wie Weiden und Ackerland aussah, spätestens im nächsten Frühjahr in einen tiefen Morast verwandelte. Es waren gute Gründe. Aber Serilla wurde den Verdacht nicht los, dass noch viel mehr dahinter steckte.
Zum Beispiel diese so genannten Regenwildhändler. Was für ein Volk waren sie eigentlich genau?
Sie wurden in keiner einzigen Charta erwähnt, die irgendein Satrap erlassen hatte, jedenfalls nicht namentlich. War es eine Gruppe von Bingtown-Händlern, die sich abgespalten hatte? Eingeborene, die sich mit den Bingtownern vermischt hatten? Warum sprach man niemals öffentlich über sie? Niemand erwähnte auch nur beiläufig irgendeine Stadt oder Siedlung am Regenwildfluss. Und dennoch musste es dort so etwas geben. All diese faszinierenden Güter, mit denen
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