Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Schiff ohnmächtig geworden bist?«
Malta runzelte die Stirn, schien mit ihren Gedanken jedoch woanders zu sein. »Möglicherweise. Sieht man es so deutlich? Sollte ich es pudern?«
Keffria hatte bereits ihre Finger in den Tiegel getaucht. Ein paar schnelle Tupfer, und der Fleck war verschwunden. »So. Niemand wird ihn bemerken«, erklärte sie tröstend. Aber Malta starrte bereits wieder ihr Gesicht im Spiegel an.
»Manchmal weiß ich nicht mehr, wer ich bin.« Malta wirkte ruhig, aber ihre Stimme klang eher besorgt als verträumt. »Ich bin nicht mehr das dumme kleine Mädchen von letztem Sommer, das es so eilig hatte, erwachsen zu werden.« Malta biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Ich habe versucht, Verantwortung zu entwickeln und all die Dinge zu lernen, die ihr mir beibringen wolltet. Irgendwie weiß ich auch, dass sie wichtig sind. Aber ehrlich gesagt: Ich hasse es, mich mit Zahlen abzugeben und ständig die eine Schuld gegen die andere abzuwägen. Das entspricht mir einfach nicht. Manchmal denke ich an Reyn oder an einen anderen jungen Mann, und mein Herz klopft vor Aufregung. Dann denke ich, dass ich glücklich wäre, wenn ich ihn einfach nur besitzen könnte. Aber einige Minuten später kommt mir das alles wie ein Vorwand vor, als wäre ich ein kleines Mädchen, das mit seinen Puppen spielt. Oder noch schlimmer: Dass ich den Mann nur begehre, weil er etwas verkörpert, das ich eigentlich selbst sein möchte. Falls du das verstehen kannst. Wenn ich versuche herauszufinden, wer ich eigentlich wirklich bin, fühle ich mich nur müde und irgendwie traurig. Aber ich kann nicht einmal weinen. Wenn ich dann schlafe und träume, kommen mir diese Träume fremd und verzerrt vor. Wache ich auf, scheinen mich diese Träume immer noch zu verfolgen, und ich stelle fest, dass ich die Gedanken von jemand anderem denke. Jedenfalls macht es beinahe den Eindruck. Ist dir so etwas auch schon passiert?«
Keffria war sprachlos. Noch nie zuvor hatte Malta so gesprochen. Sie lächelte ihre Tochter mit geheuchelter Unbeschwertheit an. »Liebes, ich glaube, du bist einfach nur nervös, und deshalb denkst du solche Dinge. Wenn wir erst auf dem Ball sind, wird sich deine Laune bessern. Das wird ein Fest, wie Bingtown noch nie eines gesehen hat.« Sie schüttelte den Kopf. »Mir kommen unsere Probleme so banal vor, verglichen mit dem, was in Bingtown zur Zeit vor sich geht. Wir sitzen in unserem eigenen Hafen fest, blockiert von chalcedeanischen Galeonen, die angeblich nur Begleitschutz für den Satrapen sind. Der Satrap und der größte Teil seines Hofes logieren bei Davad Restate. Der Satrap kommt heute Abend auch zum Ball und bringt einige seiner Gefährtinnen mit. Allein das schon wird in Bingtown Geschichte machen. Selbst die, die Jamaillia am glühendsten befehden, werden sich überschlagen, um einen Moment mit ihm allein zu sein. Einige behaupten ja, dass wir am Rand eines Krieges stehen, aber ich glaube eher, dass der Satrap vorhat, alles Unrecht wieder gutzumachen, das uns widerfahren ist. Warum sonst hätte er den weiten Weg auf sich nehmen sollen?«
»Und dafür musste er so viele chalcedeanische Galeonen und Söldner mitbringen?«, fügte Malta mit einem spitzen Lächeln hinzu.
»Soweit ich weiß, hat er sie zu seinem eigenen Schutz vor den Piraten mitgenommen«, erklärte Keffria. Ihre Tochter klang viel zu desillusioniert für ihr Alter. Hatten sie ihr das angetan? Hatten die Disziplin, der Unterricht und die Pflichten, die sie ihr auferlegt hatten, das egoistische, oberflächliche Mädchen so gründlich ausgetrieben und es stattdessen durch diese gelangweilte, zynische junge Frau ersetzt? Allein der Gedanke tat Keffria weh.
»Haben sie auch das andere Schiff anlegen lassen? Das mit den Höflingen an Bord? Ich habe gehört, dass die Neuen Händler sich sehr darüber aufgeregt haben, dass sie abgewiesen wurden. Viele haben behauptet, sie hätten Verwandte an Bord.«
»Anlegen durfte das Schiff nicht, nein, aber sie haben den Höflingen erlaubt, in kleinen Booten an Land zu kommen. Viele von ihnen waren krank oder litten an Verletzungen von den vielen Kämpfen mit den Piraten auf dem Weg hierher. Es war ganz gewöhnliche Barmherzigkeit, dass sie an Land gehen durften. Außerdem haben sie ja auch Verwandte hier, wie du ganz richtig gesagt hast. Es sind schließlich keine chalcedeanischen Söldner. Wie könnten sie uns schon schaden?«
Malta schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht mehr, als ihre
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