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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte, bevor Paragon ihn tötete, war Kennit keineswegs auf ein Lösegeld aus. Das bedeutete, sie mussten ihn zwingen oder überlisten.
    Nachdem die Mannschaft den Paragon bei dem Angriff der Piraten so ungeschickt verteidigt hatte, glaubte Althea nicht mehr daran, dass sie irgendjemanden zwingen konnten, irgendetwas zu tun.
    Also blieb die List. Aber die Vorstellung, so zu tun, als wären sie Flüchtlinge aus Bingtown, die Piraten werden wollten, schien ihr eher auf eine Bühne zu passen als ins wirkliche Leben. Am Ende war es vielleicht noch schlimmer als einfach nur lächerlich oder nutzlos. Es könnte Lavoy direkt in die Hände spielen. Ihm und seiner tätowierten Mannschaft schien der Plan jedenfalls sehr zu gefallen. Hoffte er, noch einen Schritt weitergehen zu können? Wollte er den Paragon übernehmen und ihn vielleicht wirklich als Piratenschiff einsetzen? Wenn man eine solche Rolle spielen wollte, pflanzte man den Matrosen diese Idee beinahe von allein ins Hirn. Den Abschaum, den sie in Bingtown angemustert hatten, würden hehre moralische Werte kaum davon abhalten, eine solch gute Gelegenheit zur Verbesserung seiner Lage zu nutzen. Und was das Schiff selbst davon hielt, vermochte sie nicht mehr einzuschätzen.
    Dieses ganze Abenteuer hatte Facetten an Paragons Charakter zu Tage gefördert, die sie niemals erwartet hätte. Sie brauchte Zeit, Zeit, um einen besseren Plan zu schmieden. Zeit, um dieses arme, verrückte Schiff zu verstehen. Aber die Zeit rann ihr glühend durch die Hände wie ein wild gewordenes Tau. Jede Wache brachte sie näher nach Divvytown, Kennits Stützpunkt.
    Gegen Morgen ließ der Regen nach. Als ihre Wache zu Ende war, brach die Sonne durch die dichten Wolken und warf helle Flecken auf das Meer und die Inseln ringsum. Der Wind frischte auf und änderte seine Richtung. Sie befahl ihrer Wache, sich aufzustellen und Brashens Befehle zu hören, als Lavoys Männer an Deck kamen. Der Erste Maat warf ihr einen finsteren Blick zu, als er an ihr vorbeiging, aber seine Feindseligkeit überraschte sie nicht mehr. Sie gehörte zu ihrem Leben an Bord.
    Als alle Matrosen an Deck standen, hielt Brashen seine kleine Rede. Althea hörte teilnahmslos mit an, wie er seinen Bann über die Galionsfigur aufhob. Wie sie erwartet hatte, strahlte Amber vor Erleichterung. Selbst als Brashen einige Männer von ihrer Wache abzog und Althea die ehemaligen Sklaven zuteilte, schaffte sie es, friedlich zu bleiben. Ohne sie vorher zu konsultieren, hatte Brashen ihre sorgfältigen Bemühungen zunichte gemacht, ihre Wache so effektiv wie möglich arbeiten zu lassen. Und ausgerechnet jetzt, wo sie jeden Tag tiefer ins Piratengebiet vorstießen, hatte er ihr Männer zugeteilt, die sie kaum kannte. Männer, die Lavoy vielleicht sogar schon zur Meuterei angestachelt hatte. Eine schöne Bereicherung ihrer Wache! Sie kochte innerlich, ließ sich aber ihre Wut nicht anmerken.
    Als Brashen fertig war, schickte Althea ihre Matrosen zum Essen und zum Schlafen oder zu den Vergnügungen, denen sie nachgehen wollten. Ihre Wut hatte ihr den Appetit genommen.
    Sie ging direkt in ihre Kabine und wünschte sich, es wäre tatsächlich ihre eigene und nicht nur ein winziges Zimmerchen, das sie sich mit zwei anderen Frauen teilte. Wenigstens war niemand da. Jek würde noch essen, und Amber war vermutlich bereits bei Paragon. Althea hatte einen Moment ein schlechtes Gewissen, weil sie die Galionsfigur mied. Doch dann beruhigte sie sich, als sie sich sagte, dass es vermutlich so das Beste war.
    Sie funktionierte viel wirkungsvoller als Maat, wenn sie dafür sorgte, dass keinerlei persönliche Erwägungen zwischen ihr und ihren Aufgaben standen.
    Jetzt brauchte sie Schlaf. Sie hatte ihr durchnässtes Hemd aus der Hose gezogen und wollte es sich gerade über den Kopf ziehen, als es an der Tür klopfte. Sie zischte gereizt. »Was gibt es?«, erkundigte sie sich, ohne die Tür aufzumachen. Clef sagte leise etwas auf der anderen Seite, also zog sie das Hemd wieder an und riss die Tür auf. »Was?«
    Clef wich hastig zwei Schritte zurück. »Der Käpt'n will Euch sehen!«, sagte er erschrocken. Althea atmete tief durch und entspannte sich.
    »Danke«, sagte sie brüsk und schlug die Tür zu. Warum hatte Brashen sein Anliegen nicht vorgebracht, als sie mit den anderen an Deck stand? Wieso musste er ihr jetzt auch noch das bisschen Privatsphäre und Schlaf nehmen, das ihr blieb? Sie stopfte sich ihr Hemd in die Hose und verließ die

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