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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sie seine Weitsicht auf ihre Situation zu übertragen.
    Mingsleh war an der Entführung des Satrapen beteiligt gewesen. Sein detailliertes Wissen verriet ihn. Aber die Flut hatte sich gegen ihn gerichtet, und jetzt wollte er die Seiten wechseln. Wenn sie konnte, würde sie ihm helfen. Er konnte ihr nur nützlich sein, vor allem, weil sie gerade dabei war, dasselbe zu tun. Sie würde Mingslehs Kooperation nutzen, um ihre Glaubwürdigkeit bei Ronica Vestrit und den anderen, ähnlich denkenden Mitgliedern des Bingtowner Händler-Konzils zu untermauern. Jetzt wünschte sie sich, dass Ronica noch im Haus wäre. Nicht, dass sie bedauerte, sie gewarnt und ihr damit zur Flucht verholfen zu haben. Indem sie Roeds Pläne durchkreuzte, hatte sie endlich den Mut wiedergefunden, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie Ronica schon daran erinnern, wer ihr geholfen hatte.
    Serilla lächelte grimmig. Sie konnte, wie Mingsleh, all das, was sie getan hatte, verändern und sich damit in ein besseres Licht setzen.
    Die Händlerin wäre jetzt einfach nützlich für sie gewesen. Serilla konnte den verwickelten Fäden aus Anschuldigungen und Verdächtigungen kaum folgen. Es hing zu viel von dem ab, was Mingsleh wusste oder vermutete. Ronica dagegen hatte eine Gabe, solche Dinge zu unterscheiden.
    Und außerdem brachte sie Serilla zum Nachdenken. Ronicas Worte fielen der Gefährtin wieder ein. Sie konnte ihre Vergangenheit umformen, ohne sich darin fangen zu lassen. Zuvor hatte sie diese Worte nur unter dem Aspekt ihrer Vergewaltigung betrachtet. Jetzt lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und versuchte eine umfassendere Interpretation. Die Gefährtin des Satrapen. Musste das ihre Zukunft bestimmen? Oder konnte sie das beiseite schieben und eine Bingtownerin werden, eine unabhängige Frau?
    »Ich dränge Euch nicht gern zur Eile«, entschuldigte sich Grag.
    Er betrat Reyns Schlafzimmer mit einem ganzen Arm voll Kleidung und schob die Tür mit dem Fuß hinter sich zu. »Aber die anderen warten bereits. Einige sind seit heute Morgen hier.
    Je länger sie warten, desto ungeduldiger werden sie. Hier ist trockene Kleidung. Einiges davon sollte Euch passen. Eure Kleidung passte mir ja auch ganz gut, als ich auf dem Sommerball einen Regenwildmann gespielt habe.« Er sah, wie Reyn zusammenzuckte. »Entschuldigt. Ich bin noch nicht dazu gekommen, es Euch zu sagen. Was da in der Kutsche geschehen ist, tut mir Leid, und auch, dass Malta verletzt wurde.«
    »Ja. Das spielt für sie jetzt wohl kaum noch eine Rolle, denke ich.« Reyn hörte, wie barsch er klang. »Entschuldigt. Ich… ich kann nicht darüber reden.« Er heuchelte Interesse an der Kleidung und hob ein langärmliges Hemd hoch. Handschuhe gab es hier nicht, also musste er seine feuchten tragen. Und auch den nassen Schleier. Aber das spielte keine Rolle – nichts war wirklich wichtig.
    »Leider müsst Ihr darüber reden.« Grags Stimme klang aufrichtig bedauernd. »Eure Beziehung zu Malta hat Euch das eingebrockt. In der Stadt geht das Gerücht um, dass sie entweder den Satrapen von dort, wo die Regenwildleute ihn untergebracht hatten, gekidnappt hätte oder dass sie ihm bei der Flucht geholfen hat. Roed Caern läuft herum und erzählt, dass sie ihn wahrscheinlich an die Chalcedeaner ausliefert, weil sie selbst eine Chalcedeanerin ist und…«
    »Schweigt!« Reyn holte tief Luft. »Einen Augenblick, bitte«, sagte er mit belegter Stimme. Trotz seines Schleiers drehte er Grag den Rücken zu. Er senkte den Kopf, ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich, nicht zu weinen, wollte mit bloßer Willenskraft verhindern, dass sich sein Hals zusammenzog und ihn erstickte.
    »Es tut mir Leid«, entschuldigte sich Grag erneut.
    Reyn seufzte. »Nein. Ich habe mich zu entschuldigen. Ihr wisst nicht, was ich durchgemacht habe, woher solltet Ihr auch? Es überrascht mich sogar, dass Ihr überhaupt davon gehört habt. Also, hört zu: Malta ist tot und der Satrap auch.« Ihm war merkwürdigerweise nach Lachen zumute. »Ich sollte ebenfalls tot sein. Jedenfalls fühle ich mich tot. Aber nein… Hört zu. Malta ging um meinetwillen in die versunkene Stadt. Dort wartete eine Drachenkönigin. Sie war… Sie schwebte zwischen zwei Leben. In einem Sarg oder einem Kokon oder so etwas… Ich weiß nicht, wie sie es nennen. Der Drache hat mich gequält, war in meine Träume eingedrungen und hat meine Gedanken verdreht. Malta wusste davon. Sie hat versucht, die

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