Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
die Verletzung sanft mit den Fingern ab. Es tat weh, aber längst nicht so sehr, wie sie bei dem ganzen Blut und dem Eiter hätte annehmen können. Sie zwang sich dazu, die Wunde zu untersuchen. Sie war so lang wie ihr Zeigefinger und bildete eine Kruste, die zwei Finger dick war. Die Narbe fühlte sich knorpelig und rauh an, wie das Ende eines Hühnerknochens. Es schüttelte Malta, und sie hätte sich am liebsten übergeben.
    Dann sah sie den Satrapen an. »Wie sieht es aus?«, fragte sie ruhig.
    Er schien sie nicht zu hören. »Fass mich nicht an! Geh weg und mach dich sauber. Binde irgendwas darüber. Igitt! Ich kann es nicht einmal ansehen. Geh weg!«
    Sie drehte sich um, faltete den Lappen und drückte ihn gegen ihre Stirn. Er sog sich rasch voll. Rosa Flüssigkeit tröpfelte über ihren Unterarm bis zu ihrem Ellbogen. Sie setzte sich neben Kekki, weil sie sich nach Gesellschaft sehnte. Jetzt hatte sie sogar zu viel Angst, um zu weinen. »Was ist, wenn ich daran sterbe?«, wimmerte sie. Kekki antwortete nicht. Malta warf ihr einen kurzen Blick zu und starrte sie dann an.
    Die Gefährtin war tot.
    In dem Moment stieß an Deck ein Seemann einen aufgeregten Schrei aus. Der Satrap richtete sich auf seiner Liege auf. »Das Schiff! Sie begrüßen das Schiff! Vielleicht gibt es jetzt endlich anständiges Essen und Wein! Malta, hol meine… O nein, was hast du denn jetzt schon wieder?« Er sah sie wütend an und folgte dann ihrem Blick zu Kekkis Leichnam. »Sie ist tot, nicht wahr?« Er schüttelte traurig den Kopf. »Was für ein lästiger Mensch!«
    Serilla hatte angeordnet, ihr das Mittagessen in die Bibliothek zu bringen. Dort wartete sie aufgeregt, aber nicht, weil sie hungrig war. Die tätowierte Frau, die ihr das Essen vorsetzte, bediente sie mit einer ausgesuchten Höflichkeit, die Serilla auf die Nerven ging.
    »Schon gut«, sagte sie beinahe scharf, als die Frau ihr auch noch Tee einschenkte. »Den Rest mache ich selbst. Du kannst gehen. Bitte denk daran, dass ich nicht gestört werden will.«
    »Ja, Gefährtin.« Die Frau nickte gleichmütig und ging rückwärts zur Tür.
    Serilla zwang sich dazu, ruhig am Tisch sitzen zu bleiben, bis sie hörte, wie die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Dann stand sie rasch auf, ging auf Zehenspitzen durch den Raum und schob den Riegel vor. Ein Diener hatte die Vorhänge geöffnet. Draußen war es regnerisch und kühl. Serilla zog die Vorhänge wieder zu und kontrollierte verstohlen, ob sich die Ränder auch wirklich überlappten. Als sie sicher war, dass niemand den Raum betreten oder ihr nachspionieren konnte, ging sie wieder zum Tisch zurück. Sie achtete nicht auf das Essen, sondern schüttelte sorgfältig die Serviette aus.
    Aber es fiel nichts heraus.
    Das enttäuschte sie maßlos. Letztes Mal war die Nachricht unauffällig in den Falten der Serviette versteckt gewesen. Sie hatte keine Ahnung, wie Mingsleh das gelungen war, aber sie hatte gehofft, dass er noch einmal Kontakt zu ihr aufnehmen würde. Auf seinen ersten Versuch hatte sie mit einer eigenen Nachricht reagiert und sie auf seine Anweisung hin unter einem Blumentopf im ungenutzten Kräutergarten hinter dem Haus versteckt. Als sie noch einmal nachgesehen hatte, war die Nachricht verschwunden. Er hätte längst antworten sollen.
    Es sei denn, das war alles nur ein Trick, und diese Nachricht war ein Test, den Roed sich ausgedacht hatte. Der Händlersohn verdächtigte alles und jeden. Er hatte die Macht der Grausamkeit entdeckt, und sie korrumpierte ihn zusehends. Er selbst konnte kein Geheimnis für sich behalten, beschuldigte aber alle um sich herum, die Quelle für die Gerüchte zu sein, die Bingtown terrorisierten. Er prahlte vor Serilla mit der Vergeltung, die denen widerfahren war, die sich gegen ihn stellten. Allerdings gab er niemals zu, dabei selbst mit Hand angelegt zu haben. »Dwicker hat für seine Anmaßung mächtig Prügel bezogen. Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.« Vielleicht glaubte er ja, die Gefährtin mit solchem Gerede fester an sich zu binden. Doch das Gegenteil war der Fall. Er widerte sie so sehr an und machte ihr eine solche Angst, dass sie jetzt zu allem bereit war, um sich von ihm zu befreien.
    Als die erste Nachricht von Mingsleh kam, in der er ihr eine Allianz anbot, hatte die Kühnheit des Neuen Händlers sie schockiert. Die Nachricht war aus ihrer Serviette gefallen, als sie mit den Vorsitzenden des Bingtowner Händler-Konzils gegessen hatte. Aber keiner von ihnen ließ sich

Weitere Kostenlose Bücher