Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
gezeigt, als sie Malta sterben ließ. Vergiss sie. Oder vielmehr, denke mit Verachtung an sie.«
»Was ist das für ein Gerede von einem Drachen?«, erkundigte sich Sparse Kelter.
»Der junge Selden hat in letzter Zeit eine Menge durchgemacht«, bemerkte Naria Tenira liebevoll.
Selden presste die Zähne zusammen. »Zweifelt nicht an meinen Worten. Und zweifelt nicht an ihr. Sie hat mich in ihren Klauen getragen, und ich habe von dort aus auf unsere Welt hinuntergesehen. Wisst ihr, wie klein wir eigentlich sind, wie armselig selbst unsere größten Werke? Ich habe ihren Herzschlag gefühlt. Und als sie mich berührte, wurde mir klar, dass es etwas Größeres gibt als Gut und Böse. Sie… Sie transzendiert.« Er starrte ins Leere. »In meinen Träumen fliege ich mit ihr.«
Erneut antwortete ihm Schweigen. Die Erwachsenen sahen sich viel sagend an. Einige amüsiert, andere bedauernd und wieder andere verärgert, weil er ihre Verhandlungen störte. Es tat Keffria weh, dass ihr Sohn so behandelt wurde. Hatte er nicht genug ertragen müssen?«
»Den Drachen gibt es tatsächlich«, sagte sie. »Wir alle haben ihn gesehen. Und ich stimme Selden zu. Der Drache könnte alles verändern.« Ihre Worte schockierten die anderen, aber der Blick, den Selden ihr zuwarf, war es wert. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ihr Sohn sie das letzte Mal so strahlend angesehen hatte.
»Ich zweifle nicht daran, dass es Drachen gibt«, warf Sparse hastig ein. »Ich habe selbst welche gesehen, vor einigen Jahren, als wir weit in den Norden gesegelt sind. Sie sind über uns hinweggeflogen, und sie funkelten wie Edelsteine in der Sonne.
Buckkeep hat sie gegen die Bewohner der Fernen Inseln zu Hilfe geholt.«
»Ach, diese alte Geschichte«, murmelte jemand, und Sparse sah ihn finster an.
»Die Drachenkönigin ist die Letzte ihrer Art. Sie hat in den Ruinen der Stadt der Altvorderen gebrütet, kurz bevor der Sumpf sie verschluckt hat«, erklärte Reyn. »Aber sie ist nicht unsere Verbündete. Sie ist eine sehr hinterhältige Kreatur.«
Keffria sah sich am Tisch um. Die meisten Mienen verrieten Unglauben. Ekke Kelter war rot angelaufen. »Vielleicht sollten wir lieber weiter über die Neuen Händler reden.«
»Nein!« Ihr Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Mir ist jetzt klar, dass ich endlich die ganze Geschichte über die Regenwildnis hören will. Man hat uns lange in Unwissenheit über das gehalten, was flussaufwärts auf uns wartet. Soll dies das erste Zeichen der Offenheit der Bingtown-Händler ihren neuen Verbündeten gegenüber sein? Ich möchte diese Drachengeschichte hören und erfahren, wie Malta Vestrit und der Satrap gestorben sind.«
Ein bedeutungsvolles Schweigen folgte seinen Worten. Dass Reyn und seine Mutter sich besprachen, erkannte man nur daran, dass sie ihre verschleierten Gesichter einander zuwandten.
Alle anderen Händler am Tisch bewahrten das Schweigen ihrer Ahnen. Das war ein Fehler, das wusste Keffria. Aber trotz dieses Wissens konnte sie es nicht ändern. Die Regenwildleute mussten sich jetzt entscheiden, ob sie sich erklären oder für alle Zeit verstecken wollten. Schließlich lehnte sich Reyn zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Gut«, sagte Sparse Kelter kühl. Er legte seine großen, schwieligen Hände auf den Tisch und schob den Stuhl zurück.
Er wollte offensichtlich aufstehen.
Selden sah Keffria an, drückte kurz ihre Hand und stellte sich plötzlich neben seinen Stuhl. Er war zwar auch im Stehen nicht viel größer, aber sein Gesichtsausdruck verlangte Aufmerksamkeit. »Es hat alles damit angefangen«, sagte er mit seiner hohen Stimme, »dass ich Malta erzählte, ich wüsste einen geheimen Weg in die Stadt der Altvorderen.«
Alle sahen den Jungen an. Er erwiderte Sparse Kelters erstaunten Blick. »Es ist genauso gut meine Geschichte wie die jedes anderen. Bingtown-Händler und Regenwildhändler sind eine Familie. Und ich war da.« Dann warf er Reyn einen herausfordernden Blick zu. »Sie ist genauso mein Drache wie deiner. Du hast dich von ihr abgewandt, ich aber nicht. Sie hat uns das Leben gerettet.« Er holte tief Luft. »Es wird Zeit, unsere Geheimnisse zu enthüllen, damit wir alle überleben können.«
Mit einer ruckartigen Bewegung schlug Reyn den Schleier zurück. Dann streifte er die Kapuze ab und enthüllte sein dunkles, lockiges Haar. Mit glänzenden, kupferfarbenen Augen betrachtete er ein Gesicht nach dem anderen und forderte jeden heraus, die Schuppen
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