Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
unter uns wissen alles über die Neuen Händler und ihren Besitz. Die Neuen Händler wollten mit Hilfe von Menschen, die sie tätowiert haben, das behalten, was sie gewonnen haben. Werden die Tätowierten für ihre ehemaligen Herrn kämpfen, wenn sie erst einmal frei sind? Das bezweifle ich. Wenn die Neuen Händler keine Sklaven mehr haben, ist ihre Anzahl erheblich reduziert. Sie werden außerdem ihr Heim und ihre Familien nicht so entschlossen verteidigen, wie wir das tun. Denn ihre Heime und ihre Familien befinden sich in Jamaillia. Sie haben nur ihre Geliebten und deren uneheliche Kinder mitgebracht.
Sie durften mit ihnen das Risiko teilen, an den Verwunschenen Ufern zu leben. Aber nicht ihre legitimen Nachkommen. Und da in Jamaillia Bürgerkrieg herrscht, werden die Neuen Händler von dort keine Hilfe zu erwarten haben. Viele werden sogar wieder nach Jamaillia zurückkehren, um ihren Besitz dort zu verteidigen. Außerdem müssen wir auch die Piraten berücksichtigen. Jamaillia wird vielleicht irgendwann wirklich eine Flotte schicken, um uns zu unterwerfen, aber die muss erst einmal an den Pirateninseln vorbeikommen. Wir wissen aus eigener leidgeprüfter Erfahrung, dass dies heutzutage nicht mehr ganz so einfach ist.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass die Neuen Händler keine echte Bedrohung für Bingtown sind?«, erkundigte sich Jani Khuprus ungläubig.
Ronica lächelte verbittert. »Eine geringere Bedrohung, als viele von uns glauben mögen. Die Hauptgefahr für unsere Stadt geht von denen aus, die versuchen, die Händler und unsere Sitten zu korrumpieren. Die werden wir heute Nacht bekämpfen. Danach kommt die größte Gefahr aus der üblichen Richtung. Aus Chalced. Da Jamaillia genug mit seinen inneren Kämpfen zu tun hat und wir uns gegenseitig mit Schwertern durch die Straßen jagen, bietet sich Chalced die perfekte Gelegenheit, anzugreifen und Bingtown zu unterwerfen.« Erneut ließ sie den Blick über die Menschen gleiten, die um den Tisch herumsaßen. »Aber wenn wir uns zusammentun, können wir sie zurückschlagen. Wir haben Handelsschiffe, Lebensschiffe und die Fischerboote der Drei-Schiffe-Familien. Außerdem kennen wir diese Gewässer besser als alle anderen.«
»Ihr redet immer noch davon, dass sich eine einzelne Stadt gegen ganz Chalced erhebt. Und möglicherweise auch gegen Jamaillia.« Ein anderer Bingtown-Händler hatte das Wort ergriffen: »Wir können sie vielleicht eine Weile aufhalten, aber auf lange Sicht können sie uns aushungern. Wir waren nie vollkommen autark. Und wir brauchen Märkte für unsere Handelsgüter.« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen unsere Beziehungen mit Jamaillia aufrechterhalten, selbst wenn das bedeutet, Kompromisse mit den Neuen Händlern einzugehen.«
»Es muss Kompromisse mit den Neuen Händlern geben«, stimmte Ronica ihm zu. »Nicht alle werden einfach weggehen.
Und diese Kompromisse müssen zu unseren Bedingungen geschlossen werden, nicht zu ihren. Keine Zollinspektoren mehr.
Keine Zölle.« Sie sah sich Beifall heischend am Tisch um.
»Wir sollten keine Kompromisse mit den Neuen Händlern schließen, sondern uns mit ihnen verbünden.« Alle sahen Keffria an, die kaum glauben konnte, dass sie diese Worte geäußert hatte. Aber sie wusste, dass sie vollkommen logisch waren. »Wir sollten mit ihnen zusammen heute Abend Serillas kleines geheimes Treffen mit den Vorsitzenden des Konzils sprengen.« Sie atmete einmal tief durch, bevor sie die Linie überschritt. »Fordert sie ganz unverblümt auf, mit Jamaillia zu brechen und mit uns zusammenzuarbeiten, sich unserer Lebensweise anzuschließen. Wenn Bingtown eine einige Stadt werden soll, dann müssen wir das heute werden. Jetzt sofort.
Wir sollten Davads Freund benachrichtigen… Wie heißt er noch gleich? Mingsleh. Er scheint Einfluss auf seine Freunde zu haben.« Sie stählte ihre Stimme. »Ein vereintes Bingtown ist unsere einzige Hoffnung gegen Chalced und Jamaillia. Andere Verbündete haben wir nicht.«
Ein verzagtes Schweigen folgten ihren Worten.
»Vielleicht hilft uns der Drache.« Seldens hohe Stimme erschreckte alle.
Die Blicke der Anwesenden glitten zu Keffrias Sohn, der kerzengerade auf seinem Stuhl saß. Er hatte die Augen weit geöffnet, aber er sah niemanden an. »Der Drache kann uns vor Jamaillia und Chalced schützen.«
Ein verlegenes Schweigen folgte seinen Worten. Schließlich sprach Reyn. Seine Stimme war belegt. »Die Drachenkönigin kümmert sich nicht um uns, Selden. Sie hat das
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