Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
übergangen hatte.
Aber gleichzeitig fragte sie sich auch, was sie hier eigentlich taten. Welchen Sinn machte es, all diese Fragen zu stellen?
Niemand hier hatte die Macht, eine bindende Entscheidung zu treffen.
Sparse Kelter erklärte: »Wir bieten kräftige Hände und starke Rücken und Wissen, und wir verlangen dasselbe von Euch.
Wir wollen auf der gleichen Stufe mit Euch stehen, wenn wir Bingtown gemeinsam wieder aufbauen. Wir bieten Euch auch unsere Hilfe an, die Stadt zu verteidigen. Und zwar nicht nur gegen Piraten und Chalcedeaner, sondern auch gegen Jamaillia, wenn es sein muss. Oder glaubt Ihr, dass der Perlenthron einfach die Leine loslässt und Euch nicht zur Rechenschaft zieht?«
Plötzlich begriff Keffria, worüber sie hier eigentlich verhandelten. »Sprechen wir darüber, Bingtown vollkommen von Jamaillia zu lösen? Wollen wir allein dastehen, zwischen Jamaillia und Chalced?«
»Warum nicht?«, meinte Devouchet. »Die Idee ist schon vorher geäußert worden, Händlerin Vestrit. Und zwar von Eurem eigenen Vater. Er hat im privaten Kreis davon gesprochen. Eine bessere Chance als diese hier werden wir niemals bekommen. Der Satrap ist verschwunden. Der Perlenthron ist verwaist. Die Brieftauben, die wir aus Jamaillia-Stadt bekommen, künden von schweren Unruhen, von Aufständen der jamaillianischen Armee, weil die Männer ihren Sold nicht bekommen haben. Von einem Sklavenaufstand ist die Rede und sogar von einer öffentlichen Verdammung des Satrapen durch den Tempel des Sa in Jamaillia. Die Satrapie ist geschwächt. Wenn sie erst herausfinden, dass der Satrap tot ist, werden die Adligen in Jamaillia alle Hände voll zu tun haben, sich selbst die Macht zu sichern, und nicht auf das achten, was wir tun. Sie haben uns niemals wie Gleichgestellte behandelt. Warum sollten wir uns nicht befreien und Bingtown zu einem Ort machen, an dem die Menschen neu anfangen können, wo alle Männer auf der glei chen Stufe stehen?«
»Die Frauen auch.« Sie muss Sparses Tochter sein, dachte Keffria. Selbst ihre Stimmen klingen ähnlich.
Devouchet sah sie überrascht an. »Das war nur eine Redensart, Ekke«, sagte er sanft.
»Eine Redensart wird schnell zu einer Denkweise.« Sie hob trotzig das Kinn. »Ich bin nicht nur als Sparse Kelters Tochter hier. Ich besitze selbst ein Boot und Netze. Wenn diese Allianz zustande kommt, will ich auch Land für mich. Drei-Schiffe-Leute wissen, dass es wichtiger bei der Beurteilung einer Person ist, was sie im Kopf hat, als zwischen ihren Beinen. Drei-Schiffe-Frauen werden den Platz neben ihren Männern nicht deshalb aufgeben, um zu sagen, wir sind jetzt alle ein Teil von Bingtown. Das muss klar sein.«
»Das entspricht nur dem gesunden Menschenverstand«, versicherte Grag Tenira ihr rasch. Er lächelte die Drei-Schiffe-Frau herzlich an, als er hinzufügte: »Schaut Euch an diesem Tisch um und seht, wer hier redet. Bingtown hat eine lange Tradition starker Frauen. Einige der stärksten von ihnen sitzen heute hier. Und diese Tradition wird sich nicht ändern.«
Ekke Kelter lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und erwiderte bereitwillig Grags Lächeln. »Ich wollte nur, dass jemand diese Worte laut ausspricht«, sagte sie und nickte Grag zu. Einen Moment vermutete Keffria, dass die beiden sich abgesprochen hatten. Hatte Ekke ihre Rede nur gehalten, weil sie wusste, dass Grag Tenira ihre Partei ergreifen würde? Und zählte Grag Tenira die Drei-Schiffe-Frau auch zu diesen starken Frauen?
Aber ihr Interesse erlosch genauso rasch, wie es aufgeflammt war. Sie dachte kurz nach und sprach dann ihre Gedanken laut aus.
»Was machen wir hier eigentlich? Wir sprechen von Vereinbarungen, aber niemand von uns hat die Macht, diese Vereinbarungen für ganz Bingtown geltend zu machen.«
Ihre eigene Mutter widersprach ihr. »Wir haben im Moment genauso viel Macht in Bingtown wie jeder andere. Mehr jedenfalls als das Händler-Konzil, und wir werden nicht zögern, sie auch auszuüben. Das Konzil wagte es nicht, sich ohne Serillas Zustimmung zu treffen.« Ronica lächelte ihrer Tochter grimmig zu. »Es gibt noch viel mehr von uns, als du hier am Tisch sitzen siehst, Keffria. Aber wir konnten uns nicht alle versammeln, ohne Verdacht zu erregen. Einer der Vorsitzenden des Konzils steht auf unserer Seite. Er hat uns von dem geheimen Treffen erzählt. Nach heute Abend werden wir keine Angst haben müssen, uns offen zu versammeln. Unsere Kraft speist sich aus unserer Vielfalt. Die ehemaligen Sklaven
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