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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Beunruhigend war nur, dass Amber das auch fühlte und es auch noch aussprechen konnte. Er wollte nicht darauf eingehen. »Ich fühle, dass die Fahrrinne an Steuerbord tiefer ist. Bring mich rüber, nur ein kleines Stück. Ich sage dir, wann.«
    Lavoy kam an Deck. Paragon spürte, wie er zu Brashen ans Ruder trat. Sein Schritt verriet Ärger und Aggression. Würde es heute Abend geschehen?, dachte Paragon. Die Vorstellung regte ihn ein wenig auf. Vielleicht würden die beiden Männer sich heute Abend herausfordern, sich umkreisen, zuschlagen und sich prügeln, bis einer von ihnen blutend dalag. Er versuchte zu belauschen, was Lavoy sagte.
    Aber Brashen sprach zuerst. Seine tiefe, leise und trotzdem kalte Stimme wurde von Paragons Holz weitergetragen. »Was führt dich an Deck, Lavoy?«
    Paragon fühlte, wie Lavoy zögerte. »Ich hatte erwartet, dass wir die ganze Zeit vor Anker liegen würden. Die Bewegung hat mich aufgeweckt.«
    »Und nun hast du gesehen, dass wir segeln.«
    »Das ist verrückt. Wir könnten jeden Moment auf Grund laufen, und dann wären wir eine leichte Beute für alle, die zufällig auf uns stoßen. Wir sollten jetzt ankern, wenn wir können, und bis zum Morgen warten.«
    Brashens Stimme klang eine Spur amüsiert, als er fragte:
    »Traust du dem Schiff nicht zu, dass es uns richtig führen kann, Lavoy?«
    Lavoy senkte die Stimme zu einem Flüstern. Paragon ärgerte sich. Lavoy flüsterte nicht wegen Brashen, sondern damit er, Paragon, seine wahre Meinung nicht hörte.
    Brashen dagegen sprach laut und deutlich. Wusste er, dass Paragon jedes Wort vernehmen konnte? »Dem muss ich widersprechen, Lavoy. Ja, ich vertraue dem Schiff mein Leben an.
    Wie ich es jeden Tag getan habe, seit wir diese Fahrt angetreten haben. Manchmal reicht Freundschaft tiefer als Wahnsinn oder gesunder Menschenverstand. Da du jetzt deine Meinung über das Urteilsvermögen deines Kapitäns und die Verlässlichkeit deines Schiffes zum Ausdruck gebracht hast, schlage ich vor, dass du dich wieder in deine Koje zurückziehst, bis deine Wache anfängt. Ich habe morgen einige besondere Aufgaben für dich. Sie könnten ziemlich anstrengend sein. Gute Nacht.«
    Lavoy blieb noch für fünf Atemzüge neben dem Ruder stehen. Paragon malte sich ihre Haltung aus. Die Zähne gefletscht, die Flügel etwas angehoben, ihre langen, kraftvollen Nacken gebogen, bereit zuzuschlagen. Aber diesmal senkte der Herausforderer den Blick, neigte den Kopf und legte die Flügel an.
    Langsam ging er weg und räumte damit seine Unterlegenheit ein, aber nur unwillig. Das dominante Männchen sah ihm nach.
    Glitzerten Brashens Augen, und drehten sie sich triumphierend ? Oder wusste er, dass dieser Kampf nicht beendet, sondern nur vertagt war?
    Sie gingen lange vor Anbruch der Morgendämmerung vor Anker. Das Klirren der Kette war das lauteste Geräusch, das sie gemacht hatten, seit sie in die Mündung des Flusses gesegelt waren. Behutsam hatten sie sich in den Hafen getastet und waren nicht zu dicht an die drei anderen Schiffe herangesegelt, die schon dort vertäut lagen. Auf ihnen war alles ruhig. Wehe den Wachen, denn sie würden morgen sicherlich einen Rüffel bekommen. Brashen hatte seine Wache schon vorher unter Deck geschickt, bis auf eine sorgfältig ausgesuchte Ankerwache.
    Dann hatte er seinen Zweiten Maat zu sich auf das Achterdeck befohlen.
    Brashen stand an der Reling und blickte über die Lichter von Divvytown. Sie leuchteten wie gelbe Augen durch den Nebel, blinzelten und glitzerten, wenn der Nebel weiterzog und sich veränderte. Eines verwirrte ihn. Es war heller als die anderen und leuchtete viel, viel höher. Hatte da jemand eine Laterne an einen Baum gehängt und brennen lassen? Diese Möglichkeit ergab keinen Sinn, also schob er den Gedanken beiseite. Spätestens bei Morgengrauen würde sich das Geheimnis klären.
    Die anderen verstreuten Lichter passten ebenfalls nicht so ganz zu seiner Erinnerung an die Stadt, aber zweifellos hatte der Nebel etwas damit zu tun. Jetzt war er also wieder in Divvytown. Diese laute kleine Stadt schlief nie. Der Nebel trug seltsam verstümmelte Geräuschfetzen zu ihm. Freudige Rufe, eine Strophe eines trunkenen Liedes, das Kläffen eines Hundes.
    Brashen gähnte. Ob er es riskieren konnte, ein paar Stunden zu schlafen, bevor er den Paragon und seine Mannschaft Divvytown präsentierte?
    Schritte von nackten Füßen ertönten hinter ihm. »Sie ist nicht da«, flüsterte Althea enttäuscht. »Wenigstens habe ich kein

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