Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
gewollt hätte. Allein dafür hätte Shreeva ihn am liebsten umgebracht.
In dieser Nacht redeten sie über die Länder weit im Süden.
Einige erinnerten sich an einen großen, trockenen Platz, wo es keinerlei nennenswerte Beute gab. »Es hat Tage gedauert, ihn zu überfliegen«, versicherte Tellur. »Und ich kann mich anscheinend daran erinnern, dass man nicht einmal landen konnte, um sich auszuruhen, weil der Sand zu heiß war, um darauf zu stehen. Man musste, man musste…«
»Man musste sich eingraben!«, rief eine andere Schlange aufgeregt. »Wie ich diesen Sand zwischen meinen Klauen und in meinen Hautfalten gehasst habe. Aber es war die einzige Möglichkeit. Dort langsam zu landen war ein Fehler. Man musste in den Sand hineingleiten, sodass man sofort die heiße Schicht durchbrach und zur kühleren vorstieß. Nur dass die gar nicht so viel kühler war!«
Dieser Hinweis, diese sinnliche Erfahrung, Sand in den Hautfalten zu spüren, stimulierte Shreevas Fantasie. Sie konnte nicht nur den heißen Sand fühlen, sondern auch die Bitterkeit dieser Gegend schmecken. Sie kaute Wasser, während sie sich erinnerte. »Verschließt Eure Nüstern gegen den Staub«, warnte sie die anderen triumphierend.
Eine weitere Seeschlange trompetete aufgeregt. »Aber es war die Sache wert. Denn wenn man über das Reich des blauen Sandes hinwegflog, dann war da… da war…«
Nichts. Shreeva erinnerte sich noch sehr genau an die Vorfreude. Wenn die Farbe des Sandes von Gold zu Blau wechselte, dann war man fast da. Und hinter dem blauen Sand wartete etwas, wofür sich dieser lange Flug ohne Nahrung lohnte, etwas, das das Risiko der gefährlichen Sandstürme wert war.
Warum konnte sie sich an die Hitze und den Ärger mit dem Sand erinnern, aber nicht an das Ziel ihres Fluges?
»Wartet! Wartet!«, rief der Weiße aufgeregt. »Ich weiß, was es war! Hinter dem blauen Sand war, oh, es war so schön, so wundervoll, eine solche Freude, es zu finden! Es war…« Er drehte den Kopf, und seine roten Augen rotierten heftig. Er wollte sichergehen, dass ihm die Aufmerksamkeit aller Schlangen gewiss war. »Kot!«, trompetete er fröhlich. »Große Haufen von frischem, braunem, stinkendem Kot! Und dann haben wir uns zu den Herren der Vier Reiche erklärt, zu Herren der Erde, Herren des Meeres, Herren des Himmels und Herren des Kots.
Ach, und was haben wir uns in unserer Größe gewälzt, haben gefeiert, was wir alles erobert und für uns beansprucht haben!
Die Erinnerungen sind so klar und stinkend! Sag mir, Kadaver Sessurea, ist dir diese Erinnerung nicht sehr präsent, ist sie nicht sehr deutlich, steigt sie dir nicht in die Nüs…?« Das war zu viel. Sessureas orangefarbene Mähne richtete sich auf, und er ging mit weit aufgerissenem Maul auf den Weißen los.
Maulkin rollte seinen Körper beinahe träge zwischen die beiden. Sessurea musste ausweichen. Er würde Maulkin niemals herausfordern, aber er brüllte den anderen Seeschlangen seine Frustration zu. Sie machten Platz vor seinem Zorn. Seine grünen Augen rotierten vor Wut, als er fragte: »Warum müssen wir diesen hinterhältigen Schleim ertragen? Er verspottet unsere Träume und uns selbst. Wie können wir nur annehmen, dass er uns wirklich hinführt zu Der, die sich erinnert?«
»Weil er es tut«, antwortete Maulkin. Er öffnete weit das Maul, sog das Seewasser ein und pumpte es durch seine Kiemen hinaus. »Schmecke, Sessurea. Deine Sinne sind vor Enttäuschung abgestumpft, aber schmecke, schmecke jetzt, und sage mir, was du wahrnimmst.«
Die große blaue Schlange gehorchte. Shreeva tat es ihm gleich, wie auch die meisten anderen. Eine Weile schmeckte sie nur ihr eigenes Knäuel und das ständig tropfende Gift von Aas. Dann jedoch drang es ihr in die Nase. Es war mit nichts anderem zu vergleichen. Der Geschmack von einer, die Erinnerungen in ihrem Körper trug, schwebte schwach im Wasser.
Shreeva pumpte heftig mit ihren Kiemen, um mehr von dem flüchtigen Geschmack aufzunehmen. Er verblasste, aber dann drang ein stärkerer Geruch in ihre Nüstern.
Tellur, der schlanke grüne Minnesänger, schoss wie ein Pfeil an ihnen vorbei in die Leere hinauf. Als er seinen Kopf aus dem Wasser streckte, stieß er einen fragenden Ruf aus. Um Shreeva herum stiegen die Schlangen schneller empor als Luftblasen und tanzten dann auf den Wellen um Tellur herum. Ihre Stimmen gesellten sich zu seiner und bildeten einen suchenden Chorus. Plötzlich schoss Maulkin aus ihrer Mitte heraus und sprang so
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