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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bösartig. »In letzter Zeit? Du warst schon immer nutzlos, Priesterjunge. Warum stört es dich jetzt plötzlich?«
    Das war eine gute Frage. Warum beschäftigte es ihn auf einmal? Seit Kennit das Schiff übernommen hatte, hatte Wintrow keinen offiziellen Status mehr. Er war nicht der Schiffsjunge, auch nicht der Bursche des Kapitäns, und bisher hatte niemand ernsthaft seinen Anspruch respektiert, dass dieses Schiff ihm gehörte. Aber er hatte eine Funktion. Kennit hatte ihm merkwürdige Aufgaben zugewiesen und mit ihm seine geistigen Kräfte gemessen, aber das vertrieb ihm nur die Zeit. Im Herzen beschäftigte er sich mit Viviace. Das merkst du aber ein bisschen spät, dachte er gereizt. Es war etwas spät zuzugeben, dass dieses Band mit dem Schiff sein Leben und seine Tage bestimmt hatte, die er an Bord gewesen war. Sie hatte ihn gebraucht, und Kennit hatte Wintrow als Brücke zwischen ihm und ihr benutzt. Aber jetzt brauchte ihn keiner von beiden mehr. Jedenfalls nicht die Kreatur, die in Viviaces Körper hauste. Sie tolerierte ihn sogar nicht einmal. Sein Kopf schmerzte immer noch ein bisschen von dem letzten Verweis, den sie ihm erteilt hatte.
    Er konnte sich schwach daran erinnern, wie er geheilt worden war. Er hatte in seiner Koje gelegen und dem Spiel der Sonne auf der Wand seiner Kabine zugesehen und an nichts gedacht.
    Die schnelle Heilung seines Körpers hatte all seine physischen Reserven verzehrt. Etta hatte ihm Essen, Trinken und Bücher gebracht, die er nie angerührt hatte. Sie hatte sogar einen Spiegel angeschleppt, um ihn aufzuheitern. Er sah, dass sich die äußere Hülle seines Körpers auf Kennits Befehl hin erneuert hatte. Und seine Gesichtshaut löschte langsam die Tinte der Tätowierung aus. Jeden Tag wurde das Zeichen blasser, das ihm sein Vater hatte auftätowieren lassen, bis das Bildnis der Viviace vollkommen von seinem Gesicht verschwunden war, als wäre es nie dort gewesen.
    Es war das Wirken des Schiffs. Das wusste er. Kennit war nur das Werkzeug gewesen, damit der Kapitän die Früchte eines weiteren Wunders einstreichen konnte, das er getan hatte. Die Botschaft an Wintrow dagegen war eindeutig gewesen: Sie brauchte seine Einwilligung nicht, um ihren Willen bei ihm durchzusetzen. Blitz hatte ihn mit seiner Heilung geschlagen.
    Und sie hatte seinen fehlenden Finger nicht ersetzt. Er dachte nicht mehr darüber nach, ob diese Aufgabe die Fähigkeiten seines Körpers überstieg oder ob sie es ihm absichtlich vorenthalten hatte. Sie hatte das Bildnis der Viviace von seinem Gesicht gelöscht, und die Bedeutung dieser Tat war offensichtlich.
    Etta schlug auf den Tisch, und Wintrow zuckte zusammen.
    »Du machst es schon wieder!«, beschuldigte sie ihn. »Und du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet!«
    »Ich weiß nicht, was ich mit mir selbst anfangen soll«, gestand er ihr. »Das Schiff braucht mich nicht. Kennit hat auch keine Verwendung mehr für mich. Er brauchte mich nur als Unterhändler zwischen ihm und ihr. Jetzt sind sie zusammen, und ich bin…«
    »Eifersüchtig«, beendete Etta den Satz für ihn. »Und du bist fast gelb vor Eifersucht. Ich hoffe, ich war subtiler, als ich an deiner Stelle war. Ich habe lange dort gestanden, wo du jetzt stehst, und mich gefragt, wo wohl mein Platz ist. Ich habe überlegt, warum oder ob Kennit mich braucht, und habe das Schiff dafür gehasst, dass es ihn so faszinierte.«
    Sie lächelte ihm mitleidig zu. »Du hast mein Mitgefühl, aber das wird dir nichts nützen.«
    »Was dann?«, fragte er.
    »Beschäftige dich. Komm drüber weg. Lerne etwas Neues.«
    Sie machte einen Knoten. »Such dir was anderes, das dich beschäftigt.«
    »Zum Beispiel?«, fragte er verbittert.
    Sie biss den Faden ab und zog daran, um zu kontrollieren, ob der Knopf fest saß. Mit dem Kinn deutete sie auf das Spielbrett. »Unterhalte mich.«
    Ihr Lächeln zeigte ihm, dass es ein Scherz war. Bei der Bewegung ihres Kinns spielte das Licht über ihr glattes schwarzes Haar und glänzte auf den vorstehenden Knochen ihrer Wangen.
    Sie warf ihm einen kurzen Blick unter ihren Wimpern zu, als sie einen Faden in die Nadel einfädelte. Ihre dunklen Augen funkelten amüsiert, und ihr Mundwinkel war leicht heraufgezogen. O ja, er konnte sich allerdings etwas anderes vorstellen, das ihn beschäftigte, etwas, das höchstwahrscheinlich zu einer Katastrophe führen würde. Er zwang sich, wieder auf das Spielbrett zu blicken, und machte einen Zug. »Etwas Neues lernen, hm? Und

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