Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
schoss der Gedanke durch den Kopf, ob Kekki wohl gerade kalte Füße hatte, aber zweifellos würden die Regenwildhändler ihre vornehmen Geiseln zuvorkommend behandeln. Serilla konnte ein zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken. Rache war süß, selbst in kleinen Portionen. Der Satrap hatte vermutlich immer noch nicht begriffen, dass sie hinter seiner Entführung steckte.
»Edle Gefährtin?«
Schon wieder der kleine Page. »Ich sagte doch, ich bin beschäftigt!«, erinnerte sie ihn warnend. Die Dienstboten in Bingtown hatten einfach keine richtige Vorstellung davon, wie man seinem Herrn dienen musste. Sie hatte Bingtown ihr ganzes Leben lang studiert, aber in dieser offiziellen Geschichtsschreibung hatte sie nichts auf diese gleichmacherische Realität vorbereitet. Sie presste die Lippen zusammen, als der Junge weitersprach.
»Ich habe der Frau gesagt, dass Ihr beschäftigt seid«, erklärte er. »Aber sie hat darauf bestanden, sofort zu Euch vorgelassen zu werden. Sie behauptet, Ihr hättet nicht das Recht, in Davad Restates Haus zu leben. Sie will Euch die Möglichkeit geben, Euch zu erklären, bevor sie diese Beschwerde im Interesse der rechtmäßigen Erben von Davad Restate vor das Konzil von Bingtown bringt.«
Serilla warf ihre Schreibfeder auf den Tisch. Solche Ungeheuerlichkeiten konnte sie nicht auf sich sitzen lassen, erst recht nicht, wenn sie von einem Dienstboten kamen. »Davad Restate war ein Verräter. Durch sein Verhalten hat er alle Rechte auf sein Eigentum verwirkt. Und das erstreckt sich auch auf seine Erben.« Sie begriff plötzlich, dass sie sich einem Dienstboten erklärte. Ihre Wut flammte auf. »Sag ihr, sie soll verschwinden und dass ich keine Zeit habe, sie zu empfangen.
Weder heute noch irgendwann.«
»Sagt mir das selbst, dann haben wir mehr Zeit, darüber zu streiten.«
Serilla starrte erschreckt die alte Frau an, die in der Tür auftauchte. Ihre Kleidung war einfach, aber sauber. Sie trug keinen Schmuck, aber ihr glänzendes Haar war makellos frisiert.
Schon allein ihre Haltung verriet, dass sie eine Händlerin war.
Irgendwie kam sie Serilla bekannt vor, aber das wunderte sie nicht. Schließlich war die Hälfte der Händlerfamilien miteinander versippt. Serilla starrte sie wütend an. »Geht weg!«, sagte sie grob und nahm mit gespielter Gelassenheit ihre Schreibfeder wieder auf.
»Nein. Nicht, bevor mir Genüge getan wurde.« Die Stimme der Händlerin klang kalt vor Ärger. »Davad Restate war kein Verräter. Indem Ihr ihn einfach als einen brandmarkt, konntet Ihr seinen Besitz für Euch selbst übernehmen. Vielleicht macht es Euch nichts aus, einen Toten zu bestehlen, obwohl der Euch zuvor sein Haus gastfreundlich zur Verfügung gestellt hat. Aber Eure falschen Anschuldigungen haben auch mich in eine Katastrophe gestürzt. Die Vestrit-Familie wurde angegriffen und beinahe ermordet. Ich wurde aus meinem Haus vertrieben, und meine Besitztümer wurden gestohlen. Das alles nur wegen Eurer Verleumdungen. Das werde ich nicht länger tolerieren.
Wenn Ihr mich zwingt, dies alles vor das Konzil von Bingtown zu bringen, werdet Ihr bald feststellen, dass Macht und Wohlstand hier das Recht nicht so einfach beugen können wie in Jamaillia. Alle Händlerfamilien waren kaum mehr als Bettler, als wir hierher kamen. Unsere Gesellschaft fußt auf der Vorstellung, dass das Wort eines Menschen ihn bindet, ungeachtet seines Wohlstands. Unser Überleben hängt von unserer Fähigkeit ab, dem Wort des anderen trauen zu können. Ein falsches Zeugnis abzulegen wiegt hier schwerer, als Ihr es Euch vorstellen könnt.«
Das musste Ronica Vestrit sein! Sie hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit der eleganten Frau von dem Ball. Jetzt besaß sie nur noch ihre Würde. Serilla musste sich ins Gedächtnis rufen, dass sie hier diejenige war, die die Autorität besaß. Sie hielt sich so lange an diesem Gedanken fest, bis sie ihn selbst glaubte. Es durfte nicht sein, dass irgendjemand ihre Autorität anzweifelte. Je eher diese alte Frau in ihre Schranken verwiesen wurde, desto besser für alle. Sie rief sich die Tage am Hof des Satrapen ins Gedächtnis. Wie hatte er solche Beschwerden abgeschmettert? »Ihr verschwendet meine Zeit«, erklärte sie so unbeteiligt wie möglich. »Ich lasse mich weder von Euren Drohungen noch von Euren Andeutungen einschüchtern.« Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und tat, als wäre sie vollkommen selbstsicher. »Wisst Ihr denn nicht, dass Ihr des Verrats beschuldigt werdet?
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