Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Mit Euren wilden Anschuldigungen hier hereinzustürmen ist nicht nur närrisch, sondern lächerlich.
Ihr könnt von Glück sagen, wenn ich Euch nicht sofort in Ketten legen lasse!« Serilla versuchte, den Blick des Pagen zu erhaschen. Er sollte Hilfe holen. Aber er beobachtete die beiden Frauen nur mit lebhaftem Interesse.
Ronica ließ sich jedoch nicht einschüchtern, sondern wurde noch wütender. »Das funktioniert vielleicht in Jamaillia, wo man Tyrannen verehrt. Ihr seid hier jedoch in Bingtown. Hier klingt meine Stimme genauso laut wie Eure. Und wir legen auch niemanden in Ketten, ohne ihm vorher die Chance zu bieten, sich zu erklären. Ich fordere die Möglichkeit, vor dem Händlerkonzil Bingtowns zu sprechen. Ich will Davads Namen reinwaschen oder aber die Beweise sehen, die ihn überführen.
Auf jeden Fall verlange ich eine angemessene Beerdigung für ihn.« Die alte Frau kam näher. Ihre knochigen Hände hatte sie zu Fäusten geballt. Als ihr Blick durch das Zimmer glitt, wuchs ihre Wut noch. Ihre Worte wurden schärfer. »Ich fordere, dass Davads Besitz seinen Erben übergeben wird. Ich will meinen eigenen Namen reingewaschen sehen und eine Entschuldigung von denen, die meine Familie in Gefahr gebracht haben. Außerdem erwarte ich Wiedergutmachung.« Sie trat noch näher.
»Wenn Ihr mich zwingt, zum Konzil zu gehen, werde ich dort angehört. Das hier ist nicht Jamaillia, Gefährtin. Beschwerden von einem Händler, selbst wenn es ein unbeliebter Händler ist, werden hier nicht ignoriert.«
Der dumme Dienstjunge war geflohen. Serilla wäre am liebsten zur Tür gestürzt und hätte um Hilfe gerufen. Aber sie hatte sogar Angst davor, aufzustehen und damit einen Angriff zu provozieren. Ihre Hände zitterten schon verräterisch. Auseinandersetzungen machten sie schwach, seit… Nein, daran würde sie jetzt nicht denken, würde sich nicht davon schwächen lassen. Darüber nachzugrübeln bedeutete, zugeben zu müssen, dass es sie unwiderruflich verändert hatte. Niemand besaß so viel Macht über sie, niemand! Sie würde stark sein.
»Antwortet!«, verlangte die Frau plötzlich. Serilla starrte sie an und sortierte kopflos die Papiere auf ihrem Schreibtisch. Die alte Frau beugte sich über den Tisch und sah sie zornig an.
»Wie könnt Ihr es wagen, einfach dazusitzen und mich zu ignorieren? Ich bin Ronica Vestrit, eine Bingtown-Händlerin!
Für wen haltet Ihr Euch, dass Ihr mich schweigend anstarren könnt?«
Ironischerweise war das die einzige Frage, die Serilla aus ihrer panischen Erstarrung herausreißen konnte. Es war die Frage, die sie sich selbst schon oft gestellt hatte. Sie hatte die Antwort endlos vor dem Spiegel geübt, um sich Selbstsicherheit zu verschaffen. Sie stand auf, und ihre Stimme zitterte kaum. »Ich bin Serilla, beeidigte Gefährtin des Satrapen Cosgo. Mehr noch, ich bin seine Repräsentantin hier in Bingtown.
Ich verfüge über signierte Dokumente, die das bestätigen, Dokumente, die der Satrap speziell für diese Situation aufgesetzt hat. Während er sich in seinem sicheren Versteck befindet, hat mein Wort genauso viel Gewicht wie das seine; ich treffe Entscheidungen in seinem Namen, und meine Vorschriften sind bindend. Ich selbst habe Davad Restates Fall untersucht und ihn des Hochverrats für schuldig befunden. Nach jamaillianischem Gesetz fällt alles, was ihm gehörte, an den Thron. Als Repräsentantin des Throns habe ich beschlossen, Gebrauch davon zu machen.«
Einen Augenblick wirkte die alte Frau eingeschüchtert. Serilla wertete das als Zeichen von Schwäche und hob ihre Feder.
Sie beugte sich über den Schreibtisch und tat, als würde sie ihre Aufzeichnungen durchsehen. Dann blickte sie die Frau wieder an.
»Bis jetzt habe ich noch keinen direkten Beweis für Euren Verrat gefunden und auch noch nicht offiziell Anklage gegen Euch erhoben. Ich schlage vor, dass Ihr mich nicht dazu bringt, allzu genau Eure Beteiligung zu untersuchen. Eure Sorge für einen toten Verräter gereicht Euch jedenfalls nicht zum Vorteil.
Wenn Ihr klug seid, geht Ihr jetzt.« Serilla entließ sie, indem sie wieder auf ihre Unterlagen blickte. Sie hoffte, dass die Frau gehen würde. Und sobald sie weg war, konnte sie Bewaffnete rufen und sie hinter ihr herschicken. Sie presste die Füße auf den Boden, damit ihre Knie nicht zitterten.
Das Schweigen dauerte an. Serilla wagte es nicht, hochzusehen. Sie erwartete, Ronica Vestrit geschlagen weggehen zu hören. Stattdessen schlug die Händlerin
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