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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war einfach zu bitter, um darüber nachzudenken. Er kniff vor der Grausamkeit des Schicksals die Augen zusammen.
    »Oh, Kennit!«, rief das Schiff leise, und er wusste, dass Viviace seine Gefühle genauso spürte wie er die ihren. »Lass ihn nicht sterben!«, flehte sie ihn an. »Bitte. Du hast ihn vor der Schlange und dem Meer gerettet. Kannst du ihn jetzt nicht auch retten?«
    »Ruhig!«, befahl er ihr beinahe grob. Er musste nachdenken.
    Wenn der Junge starb, würde es eine Verweigerung des Glücks bedeuten, das Kennit immer zur Seite gestanden hatte. Es wäre schlimmer als Hexerei. Kennit durfte nicht zulassen, dass dies geschah.
    Ohne auf die Matrosen zu achten, die in ehrfürchtigem Schweigen auf den verletzten Jungen hinabstarrten, ließ sich Kennit mühsam auf das Deck nieder. Er blickte lange in Wintrows ruhiges Gesicht. Dann legte er den Zeigefinger auf eine nicht verwundete Stelle von Wintrows Haut. Er war immer noch bartlos, und seine Wange war weich. Es tat ihm in der Seele weh, mit ansehen zu müssen, dass die Schönheit des Jungen derart ruiniert war. »Wintrow«, sagte er leise. »Junge, ich bin's, Kennit. Du hast mir gesagt, du würdest mir folgen. Sa habe dich geschickt, um für mich zu sprechen. Erinnerst du dich? Du kannst jetzt nicht gehen, Junge. Nicht jetzt, wo wir so dicht vor der Erfüllung unserer Ziele stehen.«
    Er bemerkte das Murmeln der Matrosen, die zusahen. Mitleid.
    Sie empfanden Mitleid für ihn. Es machte ihn wütend, dass sie seine Worte als Schwäche auffassen könnten. Aber nein, es war kein Mitleid. Er sah in ihre Gesichter, und ihm wurde klar, dass sie besorgt waren, nicht nur um Wintrow, sondern auch um ihn. Die Sorge ihres Kapitäns um den verletzten Jungen rührte sie. Er seufzte. Nun, wenn Wintrow schon sterben musste, dann würde er wenigstens so viel Vorteil daraus ziehen, wie er konnte. Sanft strich er über die Wange des Jungen. »Armer Kerl«, murmelte er laut genug, dass man ihn hören konnte. »So viel Schmerzen. Es wäre gnädig, dich gehen zu lassen, nicht wahr?«
    Er blickte Etta an. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Versuch es noch einmal mit dem Wasser«, bat er sie freundlich.
    »Aber sei nicht enttäuscht. Er ist jetzt in Sas Hand, weißt du.«
    Der Drache verzerrte sein Bewusstsein. Wintrow sah nicht mit seinen eigenen Augen und wälzte sich auch nicht in seinen Schmerzen. Stattdessen wurde seine Wahrnehmung in eine Richtung gelenkt, die er sich niemals hätte ausmalen können.
    Was war Schmerz? Verletzte Teile seines Körpers, Scharten in der Verteidigung gegen die äußere Welt. Die Barrikaden mussten instand gesetzt und die schadhaften Teile mussten niedergerissen und vernichtet werden. Nichts durfte dieser Aufgabe im Weg stehen. Alle seine Kräfte mussten sich darum kümmern.
    Sein Körper verlangte es von ihm.
    »Wintrow?« Ettas Stimme durchdrang die gedämpfte Schwärze. »Hier ist Wasser.« Einen Augenblick später fühlte er eine lästige Feuchtigkeit auf seinen Lippen. Er bewegte sie und rang nach Luft, als er versuchte, den Tropfen auszuweichen. Einen Augenblick später begriff er seinen Irrtum. Diese Flüssigkeit brauchte sein Körper, um sich zu regenerieren.
    Wasser, Nahrung und absolute Ruhe, Freiheit von dem Dilemma, das ihn bekümmerte.
    Ein leichter Druck legte sich auf seine Wange. Von weit her drang eine Stimme zu ihm, die er kannte. »Stirb, wenn du willst, Junge. Aber wisse, dass es mich verletzt. Ach, Wintrow, wenn du mich auch nur ein bisschen liebst, dann versuch es und lebe. Gib den Traum nicht auf, den du selbst vorhergesagt hast.«
    Die Worte lagerten sich in ihm ab, damit er später darüber nachdenken konnte. Für Kennit hatte er jetzt keine Zeit. Der Drache zeigte ihm etwas, etwas, das so sehr von Sa zu kommen schien, dass er sich wunderte, wie es die ganze Zeit hatte in ihm sein und dennoch unerkannt bleiben können. Die Funktion seines eigenen Körpers entfaltete sich vor ihm. Luft drang in seine Lungen. Blut strömte durch seine Glieder, und all das gehörte zu ihm. Das war kein unkontrollierbares Gebiet, es war sein eigener Körper. Er konnte ihn behandeln.
    Er fühlte, wie er sich entspannte. Ungehindert von Spannungen strömten die Kräfte seines Körpers jetzt in die beschädigten Teile. Er wusste, was er brauchte. Nach einem Moment fand er die zögernden Muskeln seines Kiefers und seiner trägen Zunge. Er bewegte den Mund. »Wasser«, krächzte er. Er hob einen steifen Arm, um sich vor der Sonne zu schützen.

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