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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eigene Kleidung. Das ursprünglich sorgfältig frisierte Haar der Gefährtin hing in unordentlichen Locken um ihre Stirn und bis zum Rücken hinunter. Die Augen hatte sie geschlossen, und ihre Lippen bewegten sich unter ihren Atemzügen. Malta fragte sich, ob sie wohl schon im Sterben lag.
    Wie viel Wasser war eine tödliche Dosis? Schließlich sagte sie sich, dass sie ja sowieso alle sterben würden. Vielleicht war sie ja nur dumm, und es war besser, zu trinken, den Durst zu löschen und früher zu sterben.
    »Vielleicht regnet es ja«, krächzte der Satrap hoffnungsvoll.
    Malta bewegte die Lippen und brachte schließlich einige Worte heraus. »Regen fällt aus Wolken«, erwiderte sie. »Und hier gibt es keine.«
    Er schwieg, aber sie spürte seinen Ärger, der wie Hitze aus einem Kamin zu ihr herüberstrahlte. Sie brachte nicht einmal die Energie auf, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Warum hatte sie überhaupt geantwortet? Erneut dachte sie an den gestrigen Tag. Sie hatte gefühlt, wie etwas ihren Verstand gestreift und gepackt hatte und dennoch körperlos war wie ein Spinnennetz, das im Dunkeln ihr Gesicht berührte. Sie hatte sich umgesehen, aber nichts entdeckt. Als sie schließlich nach oben sah, erkannte sie den Drachen. Sie war ganz sicher gewesen. Sie hatte einen blauen Drachen gesehen, und als er den Kurs änderte, glitzerte die Sonne silbrig auf seinen Schwingen. Sie hatte geschrieen und um Hilfe gerufen. Ihre Schreie hatten den Satrapen und seine Gefährtin aus ihrem Dämmerschlaf gerissen.
    Doch als sie nach oben gedeutet hatte, sagten sie ihr nur, dass dort nichts wäre. Vielleicht war es eine weit entfernte Amsel, mehr nicht. Der Satrap hatte sie verhöhnt und gesagt, dass nur Kinder und dumme Bauern an Märchen von Drachen glaubten.
    Seine Worte hatten sie so verärgert, dass sie seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen hatte, nicht einmal, als die Nacht hereinbrach und er sich endlos über die Dunkelheit, die Kälte und die Feuchtigkeit beschwerte. Er hatte den Tick, ihr die Schuld an jeder Unbequemlichkeit zuzuschieben, ihr oder den Bingtown-oder den Regenwildnis-Händlern. Sie hatte seine Jammerei satt. Das war noch nervenaufreibender als das schrille Summen der winzigen Moskitos, die sie bei Einbruch der Dämmerung entdeckt hatten und sich an ihrem Blut labten.
    Als es endlich dunkel geworden war, versuchte sich Malta einzureden, dass dies Hoffnung bedeute. Das Brett, das sie als Paddel benutzte, hatte nicht einmal den halben Morgen gehalten. Ihre Bemühungen, sie aus der Hauptströmung des Flusses zu rudern, hatten sie erschöpft und waren darüber hinaus auch noch fruchtlos geblieben. Das Holz verrottete ihr in den Händen, zerfressen vom Wasser. Jetzt saßen sie hilflos wie Kinder in dem Boot, während der Fluss sie weiter und weiter von Trehaug forttrieb. Und der Satrap quengelte weiter, wie ein ängstliches und dummes Kind.
    »Warum hat man uns bisher noch nicht gerettet?«, wollte er plötzlich wissen.
    »Warum sollte man hier nach uns suchen?«, sie warf ihm die Worte über die Schulter hinweg zu.
    »Aber du hast ihnen zugerufen, als wir an Trehaug vorbeigetrieben wurden. Wir alle haben gerufen.«
    »Rufen und gehört werden sind wohl zwei verschiedene Dinge.«
    »Was wird aus uns?« Kekkis Stimme war so leise und so belegt, dass Malta ihre Worte kaum verstehen konnte. Die Gefährtin hatte die Augen aufgeschlagen, und Malta fragte sich, ob die ihren auch so blutunterlaufen waren wie die von Kekki.
    »Ich weiß es nicht.« Malta versuchte, ihre Zunge zu befeuchten, damit sie besser reden konnte. »Wenn wir Glück haben, werden wir vielleicht an den Rand getrieben und landen in einer Untiefe oder in einem toten Arm. Wenn wir sehr viel Glück haben, könnten wir auch einem Lebensschiff begegnen, das den Fluss hinauffährt. Was ich allerdings bezweifle. Ich habe gehört, dass sie alle ausgelaufen sind, um die Chalcedeaner aus Bingtown zu vertreiben. Der Fluss wird uns letztendlich ins Meer treiben. Vielleicht treffen wir dort auf andere Schiffe und werden gerettet. Falls unser Boot lange genug durchhält.« Falls wir lange genug leben, fügte Malta stumm hinzu.
    »Wir werden sehr wahrscheinlich sterben«, erklärte der Satrap pathetisch. »Es ist eine ungeheure Tragödie, dass ich so jung sterben muss. Viele, viele andere Tode werden dem meinen folgen. Denn wenn ich erst einmal gegangen bin, ist niemand mehr da, der Frieden unter meinen Adligen hält. Niemand wird nach mir auf dem Perlenthron

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