Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
sitzen, denn ich sterbe in der Blüte meiner Jahre, ohne einen Erben zu hinterlassen.
Alle werden mein Dahinscheiden betrauern. Chalced wird keine Angst mehr haben, Jamaillia herauszufordern. Die Piraten werden unkontrolliert brandschatzen und plündern. Mein ganzes riesiges, wunderschönes Reich wird untergehen. Und das alles wegen eines närrischen Mädchens, das zu dumm ist, um zu begreifen, wann man ihr eine Chance bietet, sich zu verbessern.«
Malta richtete sich so heftig auf, dass das Boot schwankte.
Sie achtete nicht auf Kekkis furchtsames Stöhnen und drehte sich zum Satrapen um. Er saß im Heck des kleinen Bootes, hatte die Knie bis unter das Kinn gezogen und die Arme um die Beine geschlungen. Er sah aus wie ein schlecht gelaunter Zehnjähriger. Seine blasse Haut war so lange vor den Elementen geschützt gewesen, dass ihr jetzt von Wind und Wasser doppelt heftig zugesetzt worden war. Auf dem Ball in Bingtown waren Malta seine feinen Gesichtszüge und seine blasse Haut romantisch und exotisch vorgekommen. Aber jetzt sah er nur noch aus wie ein krankes Kind. Sie musste den Impuls unterdrücken, ihn einfach über Bord zu stoßen.
»Ohne mich wärt Ihr längst tot«, erklärte sie nüchtern. »Ihr wart in einem Raum gefangen, der voll Schlamm und Wasser lief. Oder habt Ihr das schon vergessen?«
»Und wie bin ich dorthin gekommen? Durch die Machenschaften Eures Volkes. Eure Leute haben mich angegriffen und gekidnappt und soweit ich weiß sogar schon Lösegeldforderungen erhoben.« Er brach unvermittelt ab, hustete und zwang dann die Worte gepresst heraus. »Ich hätte niemals in dein kleines, mieses Nest kommen sollen! Was habe ich entdeckt?
Keinen Ort der Wunder und des Wohlstands, wie Serilla mich glauben machte, sondern eine schmutzige kleine Hafenstadt voller gieriger Händler und schlecht erzogener, überheblicher Töchter. Sieh dich nur an! Ein kleiner Moment von Schönheit, und mehr wirst du niemals erleben. Jede Frau ist ein oder zwei Monate in ihrem Leben wunderschön. Nun, du hast diese kurze Blütezeit lange überschritten, du, mit deiner ausgetrockneten Haut und der verkrusteten Narbe auf deiner Stirn! Du hättest die Chance nutzen sollen, mich zu amüsieren. Vielleicht hätte ich dich dann mit an den Hof genommen, aus Mitleid mit dir, und du hättest wenigstens einmal einen Blick darauf erhaschen können, wie es ist, vornehm zu leben. Aber nein! Du musstest mich ja abweisen. Deshalb war ich gezwungen, länger auf eurem Bauernfest zu bleiben, und wurde so zu einem Ziel für Raufbolde und Räuber. Jamaillia wird ohne mich zu Grunde gehen. Und das nur wegen deines aufgeblasenen Selbstbewusstseins.« Er hustete wieder und versuchte vergeblich, mit der Zunge seine aufgesprungenen Lippen zu befeuchten. »Wir werden auf diesem Fluss sterben.« Er schniefte, und eine winzige Träne quoll aus seinem Augenwinkel und lief an seiner Nase herunter.
Malta wurde von einer Welle reinen Hasses überspült. Es war ein so klares Gefühl, wie sie es noch nie empfunden hatte. »Ich hoffe, dass Ihr zuerst sterbt, damit ich Euch dabei zusehen kann«, krächzte sie.
»Verräterin!« Cosgo deutete mit einem zitternden Finger auf sie. »Nur eine Verräterin wagt es, so mit mir zu sprechen! Ich bin der Satrap von Jamaillia. Ich verurteile dich dazu, öffentlich verprügelt und anschließend verbrannt zu werden. Wenn wir das hier überleben, werde ich dafür sorgen, dass diese Strafe an dir vollzogen wird, das schwöre ich.« Er sah an ihr vorbei auf Kekki. »Gefährtin: Bezeuge meine Worte. Wenn ich sterbe und du überlebst, ist es deine Pflicht, den anderen meinen Willen zu verkünden. Sorg dafür, dass dieses Miststück bestraft wird!«
Malta sah ihn wütend an, sagte aber nichts. Sie versuchte ihre trockene Kehle zu befeuchten, aber sie hatte keinen Speichel mehr. Es widerstrebte ihr, seine letzten Worte einfach unbeantwortet zu lassen, aber sie hatte keine andere Wahl. Wütend kehrte sie ihm den Rücken zu.
Tintaglia stillte ihren Hunger mit einem dummen, jungen Eber.
Sie hatte ihn gesehen, wie er am Rand eines Eichenwäldchens nach Wurzeln suchte. Bei seinem Anblick und seinem Geruch war der Hunger machtvoll in ihr aufgestiegen. Das verwirrte Tier war einfach stehen geblieben und hatte sie neugierig angestarrt, als sie herabstieß. Erst im letzten Moment hatte der Eber seine Stoßzähne gegen sie erhoben – als ob er sie damit verscheuchen könnte. Sie hatte ihn mit einigen wenigen Bissen verschlungen und
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