Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
ihm, aber andere hatten die Lücke schon ausgefüllt. Sie waren von ihm abgeschnitten.
Kennit blieb an der Schiffsreling nicht stehen. Er stieß sich mit dem Holzbein vom Deck ab, stützte seinen Fuß auf die Reling und sprang. Mit einem Satz, der einem Tiger alle Ehre gemacht hätte, sprang er hinter dem verschwindenden Schiff her. Althea erwartete eigentlich, dass er zwischen die Schiffe stürzte, aber er landete auf dem anderen Deck und rollte sich ab. Nur eine Hand voll Männer folgte ihm. Einer schaffte es nicht ganz und fiel mit einem Schrei ins Wasser.
Althea konnte nicht mehr sehen, was danach aus Kennit wurde. Zu viele Soldaten scharten sich um den zahlenmäßig unterlegenen Piratenkapitän und seine Männer. Etta schrie wütend auf und setzte zum Sprung an. Wintrow warf sich auf sie, um zu verhindern, dass sie hinter Kennit herstürmte. Der Spalt zwischen den Schiffen war mittlerweile zu breit, um ihn zu überspringen. Auf dem anderen Schiff lachten und johlten die Leute, als es sich immer weiter von der Viviace entfernte.
Zwei Männer hielten den Satrapen hoch, und verspotteten die Mannschaft der Viviace.
Etta riss sich wütend von Wintrow los und stürzte sich voller Verzweiflung und Wut auf ihn. »Du Narr! Wir können ihn nicht denen überlassen. Sie werden ihn töten! Das weißt du doch!«
»Ich habe nicht vor, Kennit denen zu überlassen. Aber wenn du ertrinkst, wirst du ihn nicht retten«, konterte er ärgerlich.
Seine Stimme wurde tiefer, als er das Kommando übernahm.
»Jola! Sie haben Kennit! Viviace! Ihnen nach, sie haben Kennit! Wir müssen sie verfolgen!«
Viviace nahm den Ruf auf. »Anker lichten! Setzt die Segel! Wir müssen sie verfolgen, sie haben Kennit.«
»Nein!« Althea stöhnte leise. »Lasst ihn gehen, sollen sie ihn doch umbringen.« Aber sie wusste, dass das Schiff das nicht zulassen würde. Sie fühlte Viviaces Besorgnis, die durch das Holz pulsierte. Das Schiff liebte ihn und wollte ihn wiederhaben, ganz gleich, was es kostete. Althea schaute über das Meer auf die jamaillianische Flotte. Wenn die Viviace sie herausfordern wollte, hatten sie keine Chance, selbst wenn die Marietta und die Motley ihnen halfen. Es würde nicht schnell gehen, sondern eine blutige Angelegenheit werden, mit vielen sterbenden Männern an Deck der Viviace. Am Ende würde sich ihr Schiff in jamaillianischen Händen befinden. Es war jetzt schon eine verlorene Sache, aber sie wusste, dass das Schiff nicht aufgeben würde.
Da hörte sie die Stimme, die über das Wasser zu ihnen drang.
Bei ihrem Klang stellten sich ihr die Nackenhaare auf.
»Halloho, die Viviace ! Wer hat Kennit?«
Sie drehte sich langsam um, als es sie eiskalt überlief. Es war eine Stimme aus dem Grab. Paragons Stimme erreichte sie so, wie es keine andere konnte. Sie sah ihn an und kniff die Augen zusammen. Es war nicht Paragon. Das Lebensschiff mit seiner improvisierten Takelung trug zwar die Namensplatte des Paragon , aber die Galionsfigur war ein junger Mann mit einem freundlichen, bartlosen Gesicht, der seine offenen Haare zu einem Kriegerzopf zusammengebunden hatte. Dann erhaschte Althea einen Blick auf eine Frau mit goldfarbenem Haar, die auf dem Deck direkt hinter der Galionsfigur stand und mit beiden Armen herüberwinkte. Einen Augenblick lang waren alle Gedanken in Althea wie weggewischt, während sie beobachtete, wie sie näher kamen. Sie konnte Brashen nicht sehen, und sie wusste nicht genau, ob er noch am Leben war, aber irgendwie konnte das einfach nicht anders sein. Paragon hatte die Augen geschlossen und segelte mit ausgestreckten Armen. Das brach ihr beinahe das Herz. Es war genau das eingetreten, was sie befürchtet hatte: Amber hatte ihn zwar neu geschnitzt, hatte jedoch sein Augenlicht nicht wieder herstellen können. Eine weiße Seeschlange durchpflügte vor ihnen das Wasser.
»Sie leben!« Jek stand plötzlich neben ihr, hüpfte auf und ab und rammte ihr begeistert ihre blutige Faust in den Rücken. Es war zwar nervtötend, aber irgendwie trotzdem wunderbar, von der größeren Frau von den Füßen gerissen und herumgewirbelt zu werden. Dabei stimmte Jek ein Freudengeheul an.
»Ho, Paragon!«, schrie Viviace aufgeregt »Da, das Schiff! Kennit ist an Bord! Sie werden ihn umbringen, Paragon! Sie werden ihn umbringen!« Sie deutete hektisch über das Wasser.
Ihr eigener Anker hob sich langsam aus dem Schlamm.
Ihr Schrei drang bis zur Marietta und zur Motley. Althea sah, wie die beiden Schiffe zwei
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