Zaubersommer in Friday Harbor
Situation – mindestens. Sam überlegte kurz, ob er erwähnen sollte,
dass er Lucy schon mal begegnet war. Dass er sie am Abend zuvor zum Artist's
Point begleitet hatte. Aber er entschied sich, das vorläufig für sich zu
behalten.
In das
angespannte Schweigen, das folgte, fragte Holly vom Tisch her: „Onkel Sam,
kriege ich jetzt meine Suppe?”
„Aber klar
doch, mein Spatz.” Sam stellte die Suppentasse vor ihr ab und band ihr
eine Papierserviette um.
Anschließend
wandte er sich wieder Kevin zu.
„Also,
machst du's nun?”, fragte dieser.
„Ja,
meinetwegen.” Sam deutete lässig zur Tür. „Ich begleite dich nach
draußen.”
„Wenn dir
Lucy gefällt”, meinte Kevin, „dann solltest du mal ihre Schwester sehen.
Jünger und schärfer.” Als müsste er sich selbst davon überzeugen, dass er – Kevin – bei dem Handel trotz allem besser abschnitt.
„Toll”,
meinte Sam lakonisch. „Ich will diese.”
„Okay.”
Kevin wirkte eher verwirrt denn erleichtert. „Ich muss schon sagen: Ich habe
nicht damit gerechnet, dass du dich so leicht überreden lässt.”
„Kein
Problem. Aber eine Sache verstehe ich noch nicht ganz.”
„Die
wäre?”
„Warum hast
du wirklich mit Lucy Schluss gemacht? Und erzähl mir jetzt keinen Schwachsinn
von wegen Wunsch nach einer Jüngeren oder Schärferen. Denn eins ist mal klar:
Was diese Frau nicht hat, brauchst du auch nicht. Also, was ist der wahre
Grund?”
Kevin
schaute ihn leicht verdutzt an. So wie jemand, der über seine eigenen Füße
stolpert und sich nach dem unsichtbaren Hindernis auf dem Boden umdreht. „Ich
habe sie einfach so gründlich kennengelernt, dass es keine Überraschungen mehr
gab, und ... das wurde langweilig. Höchste Zeit für einen Wechsel.” Er
runzelte die Stirn, als er Sams leichtes Lächeln bemerkte. „Was ist daran
lustig?”
„Nichts.”
Sam hatte nicht vor, zu erklären, worüber er sich amüsierte. Ihm war nämlich auf
unangenehme Weise bewusst geworden, dass er, was Frauen anging, kein bisschen
besser war als Kevin. Tatsächlich hatte er noch nie so etwas wie eine längerfristige
Beziehung aufbauen können – und wollte das auch nicht.
„Wie
erfahre ich, wie es läuft?”, fragte Kevin, als Sam ihn durch die
Eingangshalle geleitete und die Tür für ihn öffnete.
„Irgendwann
wirst du's schon erfahren.” Sam hielt es nicht für nötig, ihm zu sagen,
dass er Lucy noch am selben Abend anrufen wollte.
„Ich wüsste
es lieber vorher. Schick mir 'ne SMS, wenn du dich mit ihr verabredest.”
Sam lehnte
sich mit der Schulter an den Türpfosten und musterte Kevin spöttisch. „Keine
SMS, keine E-Mail, keine Power-Point-Präsentation. Ich gehe mit deiner Ex aus,
Pearson. Aber wann ich das tue und was danach geschieht, ist einzig und allein
meine Sache.”
Kapitel 9
m
Morgen hörte Lucy
ihre Mobilbox ab und empfing die
Nachricht, die Sam Nolan am Abend zuvor
hinterlassen hatte: „Die Wohnung ist noch frei. Sie bietet einen tollen Blick auf
den Hafen und liegt nur zwei Minuten zu Fuß vom Artist's Point entfernt.
Ruf mich an, wenn du sie dir ansehen möchtest.”
Lucy
brauchte fast bis zur Mittagszeit, um den Mut aufzubringen, zurückzurufen.
Früher hatte sie nie lange gefackelt, wenn sie etwas wollte. Aber seit ihrer
Trennung von Kevin stellte sie Dinge infrage, die sie normalerweise nicht
angezweifelt hätte – vor allem sich selbst.
In den
letzten zwei Jahren war sie vollständig in ihrer Beziehung zu Kevin
aufgegangen. Sie hatte dafür Freundschaften vernachlässigt und ihre eigenen
Ansichten und Wünsche hintangestellt. Konnte es sein, dass sie unbewusst
versucht hatte, sich dafür einen Ausgleich zu schaffen, indem sie Kevin kontrollierte
und an ihm herumnörgelte? Sie wusste nicht, wie sie wieder Tritt fassen und zu
sich selbst finden sollte. Aber eins war ihr klar: Es hatte keinen Zweck, sich
auf eine Affäre mit Sam Nolan einzulassen, der für eine ernsthafte
Partnerschaft nicht infrage kam.
„Muss denn
jede Beziehung unbedingt ernst sein?”, hatte Justine gefragt, als Lucy am
Abend zuvor genau das geäußert hatte.
„Warum sich
überhaupt die Mühe machen, wenn das Ganze nirgendwohin führt?”
„Ich habe
einige sehr wichtige Dinge aus Beziehungen gelernt, die nirgendwohin führten.
Was ist wichtiger: das Ziel oder der Weg?”
„Ich weiß,
dass ich jetzt antworten sollte: der Weg”, erwiderte Lucy verstimmt.
„Aber im Moment würde ich nun mal gern das Ziel erreichen.”
Justine
lachte.
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